VORWORT ZUR LESUNG
VON HÖLDERLINS GEDICHTEN
Ob wir es einmal noch erkennen?
Hölderlins Dichtung ist für uns ein Schicksal. Es wartet darauf, daß die Sterblichen ihm entsprechen.
Was sagt Hölderlins Dichtung? Ihr Wort ist: das Heilige. Dies Wort sagt von der Flucht der Götter. Es sagt, daß die entflohenen Götter uns schonen. Bis wir gesonnen sind und vermögend, in ihrer Nähe zu wohnen. Der Ort der Nähe ist das Eigentümliche der Heimat. Nötig bleibt deshalb, den Aufenthalt in dieser Nähe vorzubereiten. So vollziehen wir den ersten Schritt auf dem Weg, der uns dorthin führt, wo wir dem Schicksal, das Hölderlins Dichtung ist, schicklich entsprechen. Aber dadurch gelangen wir erst in den Vorort der Ortschaft, in der vielleicht »der Götter Gott« erscheint. Denn kein menschliches Rechnen und Machen kann von sich aus und durch sich allein eine Wende des gegenwärtigen Weltzustandes bringen; schon deshalb nicht, weil die menschliche Machenschaft von diesem Weltzustand geprägt und ihm verfallen ist. Wie soll sie dann je noch seiner Herr werden?
Hölderlins Dichtung ist für uns ein Schicksal. Es wartet darauf, daß die Sterblichen ihm entsprechen. Die Entsprechung führt auf den Weg einer Einkehr in die Nähe der entflohenen Götter: in den Raum ihrer uns schonenden Flucht.
Doch wie sollen wir dies alles erkennen und behalten? Dadurch, daß wir auf Hölderlins Dichtung hören.
Indes können nur wenige Gedichte hier gesprochen werden. Das Wenige beschränkt sich auf eine Auslese. Sie bleibt mit dem Anschein der Willkür behaftet. Er mildert sich, wenn wir durch ein öfteres Hören williger den Leitworten folgen, die der Dichtung Hölderlins entnommen sind.
Elucidations of Hölderlin's Poetry p. 224