Die Sprache im Gedicht 37
das eher lastet und beunruhigt. Allein, »fremd«, althoch-deutsch »fram«, bedeutet eigentlich: anderswohin vorwärts, unterwegs nach..., dem Vorauf behaltenen entgegen. Das Fremde wandert voraus. Doch es irrt nicht, bar jeder Bestimmung, ratlos umher. Das Fremde geht suchend auf den Ort zu, wo es als ein Wanderndes bleiben kann. »Fremdes« folgt schon, ihm selber kaum enthüllt, dem Ruf auf den Weg in sein Eigenes.
Der Dichter nennt die Seele »ein Fremdes auf Erden«. Wohin ihr Wandern bisher noch nicht gelangen konnte, ist gerade die Erde. Die Seele sucht die Erde erst, flieht sie nicht. Wandernd die Erde zu suchen, daß sie auf ihr dichterisch bauen und wohnen und so erst die Erde als die Erde retten könne, erfüllt das Wesen der Seele. So ist denn die Seele keineswegs zunächst Seele und dazu noch aus irgendwelchen Gründen nicht auf die Erde gehörig.
Der Satz :
Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden.
nennt vielmehr das Wesen dessen, was »Seele« heißt. Der Satz enthält keine Aussage über die im Wesen schon bekannte Seele, gleich als ob, in der Form einer Ergänzung, nur festgestellt werden sollte, der Seele sei das ihr Ungemäße und darum Befremdliche zugestoßen, auf der Erde weder Zuflucht noch Zuspruch zu finden. Die Seele ist dem entgegen als Seele im Grundzug ihres Wesens »ein Fremdes auf Erden«. So bleibt sie das Unterwegs und folgt wandernd dem Zug ihres Wesens. Indessen bedrängt uns die Frage: Wohin ist der Schritt dessen, was in dem erläuterten Sinne »ein Fremdes« ist, gerufen? Eine Strophe aus dem dritten Stück der Dichtung »Sebastian im Traum« (107) antwortet:
O wie stille ein Gang den blauen Fluß hinab [42] Vergessenes sinnend, da im grünen Geäst Die Drossel ein Fremdes in den Untergang rief.