Es liegt im Wesen der Wissenschaft und ihres Werdens, dass sie nicht a priori das ihr zur Bearbeitung zufallende Feld scharf umgrenzt, die Begriffe endgültig fixiert, die Begründungszusammenhänge systematisch festlegt und die Methoden unabänderlich vorzeichnet -vielmehr werden sich die materialen wie formalen Bestandstücke der Wissenschaft in deren Entwicklungsgang mit wachsender Bestimmtheit zum Ausdruck bringen. Gerade der historische Werdegang der heute viel Forschergeist und Kraft absorbierenden psychologischen Wissenschaft bietet für logisch-methodologische Untersuchungen (Fragen der Wissenschaftslehre) dankbare Anknüpfungspunkte.
Die überaus aktuelle religionspsychologische Arbeit1, auf die wir im folgenden kurz hinweisen wollen, entnimmt ihren Ggenstand einer noch in den Anfängen stehenden Wissenschaft, einem Zweige der empirischen Psychologie. Weingärtners Studie kann mithin, da die methodologische Forschung die ausgebildete Wissenschaft voraussetzt, nicht in dem obigen Sinne gefasst sein, vielmehr bedeutet sie eine Station, und zwar eine hochbedeutsame, in der lebendigen Entwicklung der aufstrebenden religionspsychologischen Wissenschaft selbst. Der Verfasser gewinnt durch die weitgreifende Darstellung und besonnene Kritik der verschiedenen Auffassungen des vieldeutigen Begriffes »Unterbewusstsein« den sicheren Boden für eine Entscheidung über die Verwendbarkeit desselben in der Religionspsychologie. Hierin ist das eigentliche Ziel dieser vornehmen, im Urteil das rechte Mass haltenden Studie zu suchen.
Der speziellen Erörterung des besagten Begriffes und seiner verschiedenen Auffassungen sollen einige
grundlegende Gedanken über die Religionspsychologie als solche vorausgeschickt
1 D. Dr. Georg Weingärtner. Das Unterbewusstsein. Mainz 1911, 158 Seiten.
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