224. GELASSENHEIT

(30. Oktober 1955)



Das erste Wort, das ich öffentlich in meiner Heimatstadt sagen darf, kann nur ein Wort des Dankes sein.

Ich danke der Heimat für alles, was sie mir auf einen langen Weg mitgegeben hat. Worin diese Mitgift besteht, habe ich auf den wenigen Seiten darzulegen versucht, die zuerst in der Festschrift zum hundertsten Todestag von Conradin Kreutzer auf das Jahr 1949 unter dem Titel »Der Feldweg« erschienen sind. Ich danke Herrn Bürgermeister Schühle für seine warmherzige Begrüßung. Ich danke aber noch im besonderen für den schönen Auftrag, bei der heutigen Feier eine Gedenkrede zu halten.


Verehrte Festgemeinde!
Liebe Landsleute!


Wir sind zu einer Gedenkfeier für unseren Landsmann, den Komponisten Conradin Kreutzer, versammelt. Wenn wir einen jener Menschen feiern sollen, die berufen sind, Werke zu schaffen, dann gilt es vor allem, das Werk gebührend zu ehren. Im Falle eines Tonkünstlers geschieht dies dadurch, daß wir die Werke seiner Kunst zum Tönen bringen.

Aus Conradin Kreutzers Werk erklingen zu dieser Stunde Lied und Chor, Oper und Kammermusik. In diesen Klängen ist der Künstler selbst da; denn die Gegenwart des Meisters im Werk ist die einzig echte. Je größer ein Meister ist, um so reiner verschwindet seine Person hinter dem Werk.

Die Spieler und Sänger, die an der heutigen Feier mitwirken, geben die Gewähr, daß Conradin Kreutzers Werk in dieser Stunde für uns zum Klingen kommt.

Aber ist die Feier dadurch schon eine Gedenkfeier? Zu einer Gedenkfeier gehört doch, daß wir denken. Allein, was sollen wir bei einer Gedenkfeier, die einem Komponisten gilt, denken und


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Martin Heidegger (GA 16) Reden und Andere Zeugnisse eines Lebenweges