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Die Grundfrage der Metaphysik

redet und denkt, ist ein unwissenschaftlicher Mensch. Wer nun gar innerhalb der Philosophie, wo doch die Logik zuhause ist, über das Nichts redet, den trifft der Vorwurf, gegen die Grundregel alles Denkens zu verstoßen, um so härter. Ein solches Reden über das Nichts besteht aus lauter sinnlosen Sätzen. Außerdem: Wer das Nichts emst nimmt, stellt sich auf die Seite des Nichtigen. Er fördert offenkundig den Geist der Verneinung und dient der Zersetzung. Das Reden vom Nichts ist nicht nur völlig denkwidrig, es untergräbt jede Kultur und allen Glauben. Was sowohl das Denken in seinem Grundgesetz mißachtet, als auch den Aufbauwillen und Glauben zerstört, ist reiner Nihilismus.


c) Die sprachliche Fassung der Frage als Achtung vor der
Uberlieferung


Aufgrund solcher Überlegungen werden wir gut tun, in unserem Fragesatz die überflüssige Redewendung »und nicht vielmehr Nichts?« zu streichen und den Satz auf die schlichte und straffe Form zu beschränken: »Warum ist überhaupt Seiendes?«

Dem stünde nichts im Wege, wenn . . . wenn wir in der Fassung unserer Frage, wenn wir überhaupt im Fragen dieser Frage so ungebunden wären, wie das bisher scheinen mag. Indem wir die Frage fragen, stehen wir jedoch in einer Überlieferung. Denn nach dem Grunde des Seienden hat die Philosophie immer und je gefragt. Mit dieser Frage nahm sie ihren Anfang, in dieser Frage wird sie ihr Ende finden, gesetzt, daß sie groß zu Ende geht und nicht in der Weise eines ohnmächtigen Verfalls. Seit dem Anfang der Frage nach dem Seienden geht ihr die Frage nach dem Nicht-Seienden, nach dem Nichts zur Seite. Dies jedoch nicht nur äußerlich als eine Begleiterscheinung, sondern gemäß der jeweiligen Weite, Tiefe und Ursprünglichkeit, in der die Frage nach dem Seienden gefragt wird, gestaltet sich die Frage nach dem Nichts und umgekehrt.


Martin Heidegger (GA 40) Einführung in die Metaphysik