Die Wahrheit gehört zum Wesen des Seins. Seiendes sein darin liegt: zum Vorschein kommen, erscheinend-auftreten, sich hin-stellen, etwas her-stellen. Nichtsein besagt dagegen: aus der Erscheinung, aus der Anwesenheit abtreten. Im Wesen der Erscheinung liegt das Auf- und Abtreten, das Hin- und Her- in dem echt demonstrativen, zeigenden Sinne. Das Sein ist so in das mannigfaltige Seiende verstreut. Dieses macht sich als Nächstes und Jeweiliges hier und da breit. Es gibt sich als Erscheinendes ein Ansehen, δοκεΐ. Δόξα heißt Ansehen, nämlich das Ansehen, in dem einer steht. Falls das Ansehen gemäß dem, was in ihm aufgeht, ein ausgezeichnetes ist, bedeutet δόξα Glanz und Ruhm. In der hellenistischen Theologie und im Neuen Testament ist δόξα θεοῦ, gloria Dei, die Herrlichkeit Gottes. Das Rühmen, Ansehen zuweisen und aufweisen, heißt griechisch: ins Licht stellen und damit Ständigkeit, Sein verschaffen. Ruhm ist für die Griechen nichts, was einer dazu bekommt oder nicht; er ist die Weise des höchsten Seins. Für die Heutigen ist Ruhm längst nur noch Berühmtheit und als solche eine höchst zweifelhafte Sache, ein durch die Zeitung und den Rundfunk hin und her geworfener und verteilter Erwerb, — fast das Gegenteil von Sein. Wenn für Pindar das Rühmen das Wesen der Dichtung ausmacht und Dichten ist: ins Licht stellen, dann liegt dies keineswegs daran, daß für ihn die Lichtvorstellung eine besondere Rolle spielt, sondern einzig daran, daß er als Grieche denkt und dichtet, d. h. in dem zugewiesenen Wesen des Seins steht.
§ 40. Die Vieldeutigkeit der δόξα - der Kampf um das Sein
gegen den Schein
Es galt zu zeigen, daß und wie für die Griechen zum Sein das Erscheinen gehört, schärfer gesagt: daß und wie das Sein im Erscheinen mit sein Wesen hat. Das wurde an der höchsten Möglichkeit des menschlichen Seins, wie es die Griechen gestalteten,