§ 13. Das Frageerlebnis 67
Es ist ausgelöst von einem Trieb nach Erkenntnis, und dieser entstammt dem θαυμάζειν, dem Staunen und Sichverwundern.1 Wollten wir jetzt solchen Deutungen und »Erklärungen« folgen, dann müßten wir uns vom schlichten Sinn des Erlebnisses abwenden; wir müßten verzichten, nur das eindeutig festzuhalten, was es selbst uns gibt. Wir müßten uns in neue, bislang noch problematische Zusammenhänge hineinwagen und würden so notwendig die Echtheit und Unverfälschtheit der schlichten Analysen gefährden. Bleiben wir also beim Sinn des Erlebnisses als solchen und halten fest, was es gibt. Es gibt auch das, daß es — in sich selbst isoliert (bezüglich Fragen und Fraglichkeit) — nicht endgültig zu verstehen ist; es ist sein Eigen-sinn, sich nicht durch sich selbst aufzuklären.
In diesem Erlebnis wird etwas gefragt mit Bezug auf etwas überhaupt. Das Fragen hat einen bestimmten Gehalt: Ob »es gibt« ein Etwas, ist die Frage. Das »es geben« steht in Frage, oder genauer: steht in Fragen. Nicht ist gefragt, ob sich etwas bewegt, ob etwas ruht, ob etwas sich widerspricht, ob etwas wirkt, ob etwas existiert, ob etwas wertet, ob etwas soll, sondern ob es etwas gibt. Was heißt: »es gibt«?
Es gibt Zahlen, es gibt Dreiecke, es gibt Bilder von Rembrandt, es gibt U-Boote; ich sage: Es gibt heute noch Regen, es gibt morgen Kalbsbraten. Mannigfache »es gibt«, und jeweils hat es einen anderen Sinn und doch auch jedes wieder ein in jedem antreffbares identisches Bedeutungsmoment. Auch dieses ganz abgeblaßte, bestimmter Bedeutungen gleichsam entleerte bloße »es gibt« hat gerade wegen seiner Einfachheit seine mannigfachen Rätsel. Wo liegt das sinnhafte Motiv für den Sinn des »es gibt«? Erneut weist ein neuer Sinnbestandteil nicht nur das Fragen als solches, sondern dieser sein Gehalt (es-geben) über sich hinaus.
Nunmehr klärt sich auf das rätselhafte Vorhandensein der Bestimmtheit vor aller theoretischen Deskription. Theoretisch komme ich selbst aus dem Erleben her; es wird aus diesem noch Erlebbares mitgebracht, mit dem man nun nichts anzufangen weiß und für das nun der bequeme Titel des Irrationalen erfunden ist.
Weiter: Es wird gefragt, ob es etwas gibt. Nicht ist gefragt, ob es Stühle oder Tische gibt, ob Häuser oder Bäume, ob Sonaten
1 Aristoteles, Met. Α 2, 982b 11 f.