angemessenen ontologischen Fundamente zu gewinnen. Dazu mußte die Analyse von vornherein aus der Richtung auf den überlieferten, aber ontologisch ungeklärten und grundsätzlich fragwürdigen Ansatz herausgedreht werden, wie er durch die traditionelle Definition des Menschen vorgegeben ist. An dieser gemessen, mag die existenzial-ontologische Interpretation befremden, besonders dann, wenn »Sorge« lediglich ontisch als »Besorgnis« und »Bekümmernis« verstanden wird. Deshalb soll jetzt ein vorontologisches Zeugnis angeführt werden, dessen Beweiskraft zwar »nur geschichtlich« ist.
Bedenken wir jedoch: in dem Zeugnis spricht sich das Dasein über sich selbst aus, »ursprünglich«, nicht bestimmt durch theoretische Interpretationen und ohne Absicht auf solche. Beachten wir ferner: das Sein des Daseins ist durch Geschichtlichkeit charakterisiert, was allerdings erst ontologisch nachgewiesen werden muß. Wenn das Dasein im Grunde seines Seins »geschichtlich« ist, dann erhält eine Aussage, die aus seiner Geschichte kommt und in sie zurückgeht und überdies vor aller Wissenschaft liegt, ein besonderes, freilich nie rein ontologisches Gewicht. Das im Dasein selbst liegende Seinsverständnis spricht sich vorontologisch aus. Das im folgenden angeführte Zeugnis soll deutlich machen, daß die existenziale Interpretation keine Erfindung ist, sondern als ontologische »Konstruktion« ihren Boden und mit diesem ihre elementaren Vorzeichnungen hat.
Die folgende Selbstauslegung des Daseins als »Sorge« ist in einer alten Fabel niedergelegt:1
Cura cum fluvium transiret, videt cretosum lutum
sustulitque cogitabunda atque coepit fingere.
dum deliberat quid iam fecisset, Jovis intervenit.
rogat eum Cura ut det illi spiritum, et facile impetrat.
cui cum vellet Cura nomen ex sese ipsa imponere,
Jovis prohibuit suumque nomen ei dandum esse dictitat.
dum Cura et Jovis disceptant, Tellus surrexit simul
suumque nomen esse volt cui corpus praebuerit suum.
1 Der Verf. stieß auf den folgenden vorontologischen Beleg für die existenzial-ontologische Interpretation des Daseins als Sorge durch den Aufsatz von K. Burdach, Faust und die Sorge. Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte I (1923), S. 1 ff. B. zeigt, daß Goethe die Cura-Fabel, die als 220. der Fabeln des Hyginus überliefert ist, von Herder übernahm und für den zweiten Teil seines »Faust« bearbeitete. Vgl. besonders S. 40 ff. – Der obige Text ist zitiert nach F. Bücheler, Rheinisches Museum Bd. 41 (1886) S. 5, die Übersetzung nach Burdach, a. a. O. S. 41 f.