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Neuere Forschungen über Logik (1912)

Wirklichkeit überhaupt und des Logischen. Dieses Reich des Geltenden muß jetzt seinem ganzen Umfang nach prinzipiell gegenüber dem Sinnlich-Seienden ebenso wie gegenüber dem Übersinnlich-Metaphysischen in seiner reinen eigenen Wesenhaftigkeit herausgehoben werden — eine Forderung, die im ganzen Verlauf der Geschichte der Philosophie noch nie in vollbewußter und folgerichtiger Weise Genüge fand. Typisch für die „Hypostasierung“ des Logischen zum metaphysisch Seienden wird immer Plato bleiben. Lask hat in einer weit- und tiefgreifenden Studie über die „Logik der Philosophie“10 die obige Forderung klar ausgesprochen und damit zugleich einer verschärften Begriffsbestimmung der Philosophie als Wertwissenschaft den Weg geebnet. Die Arbeit als Ganzes ist eine auf dem Boden des transzendentallogischen Kritizismus erwachsene Vertiefung und Weiterbildung der Transzendentallogik Kants, eine Weiterbildung deshalb, weil Lask gegenüber Kant, der das Kategorienproblem nur auf das Sinnlich-Seiende eingesckräDkt hat, der Kategorie ein „neues Anwendungsgebiet“ erobert, die Philosophie selbst. Lask erstrebt also nichts anderes als eine das All des Denkbaren mit seinen beiden Hemisphären Seiendes und Geltendes umspannende Kategorienlehre, und sein Versuch darf mit guten Gründen in die Reihe der Großen gerückt werden, die sich schon um eine Kategorienlehre bemühten

Die Logik der Seinskategorien hat Kant geschaffen. Für deren Verständnis ist zu beachten, daß das Sein seine translogische Selbständigkeit eingebüßt hat, daß das Sein zu einem Begriff der transzendentalen Logik umgearbeitet ist. Das will nicht besagen, daU die Gegenstände „zu lauter logischem Gehalt gestempelt“ seien; nur die Gegenständlichkeit, die Dinghaftigkeit gegenüber dem Dinghaften, das Sein gegenüber dem Seienden ist logischer Wert, Formgehalt. Die Verklammerung von Form (Kategorie) und Material wird als „Sinn“ bezeichnet.


10 Die Logik der Philosophie und die Kategorienlehre. Eine Studie über den Herrschaftsbereich der logischen Form, Tübingen 1911.


Martin Heidegger (GA 1) Frühe Schriften page 55

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