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Bedeutung und Bedeutungsfunktion

Soll der Begriff „logische Grammatik" besagen, die Grammatik müsse aus der Logik abgeleitet werden, dann liegt darin etwas Unmögliches. Wenn man nun aber darauf hinweist, daß logisch unwahre Urteile sich grammatisch völlig richtig ausdrücken lassen, und daraus schließt: also ist die Grammatik nicht logisch, dann versteht man unter dem logischen bzw. alogischen Charakter der Sprache etwas ganz anderes, als was die logische Bedeutungslehre mit dem Ausdruck,logisch4 meint. Logisch und logisch sind in beiden Fällen nicht dasselbe.

Die Forderung der Logik einer Grammatik braucht nicht die theoretische Meinung vorauszusetzen, der grammatische Sprachgebrauch lasse sich aus logischen Gesetzen ableiten. Die Frage, wie die Sprache geworden ist, welchen schöpferischen Faktoren sie ihr Dasein verdankt, ist kein Problem der Logik. Man mag über Wesen, Aufgabe und Gliederung der Sprachwissenschaft wie immer denken, zugegeben muß werden, daß die Sprachgebilde Bedeutungen haben. Und nur bei diesen setzt die philosophische Reflexion ein, um reduktiv zu den kategorialen Momenten zurückzugreifen und sie vom System der Kategorienlehre aus zu würdigen. Diese logischen Bedingungen der Sprache, genauer der Bedeutungen, dürfen aber nicht zu sachlichen Ursachen der lautlichen Entwicklung der Sprache und gar zu den einzigen umgedeutet werden. Der Sprachgeist, der schöpferische Faktor der Sprachentwicklung, hat aber als Geist auch eine bestimmte, im besagten Sinne logische Struktur; die und nur die will die Logik der Sprache herausheben.

Die Sprache wird also von der Bedeutungslehre nicht nach


von aller geistigeren Tätigkeit und allem geistigen Leben abgelöste Sprache“ statuiert wird, schreibt derselbe Verfasser: „Wohl gibt es auch heute wieder Sprachphilosophen, die eine selbständige allgemeine reine, spekulative und universale Grammatik, eine Grammatik der Grammatiken [I] fordern. Aus meinen Betrachtungen werden diese Neu-Platoniker und Neu-Scholastiker gerade so klug werden wie ich aus den ihren“ (a. a. O. S. 223).

Durch das im Text Gesagte dürfte die Möglichkeit und Notwendigkeit beider „Standpunkte“ erhärtet sein.


Martin Heidegger (GA 1) Frühe Schriften

GA 1