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Doppelaufgabe in der Ausarbeitung der Seinsfrage

Begriff von Phänomen verstanden ist: das Sich-an-ihm-selbstzeigende.

Bleibt in dieser Fassung des Phänomenbegriffes unbestimmt, welches Seiende als Phänomen angesprochen wird, und bleibt überhaupt offen, ob das Sichzeigende je ein Seiendes ist oder ob ein Seinscharakter des Seienden, dann ist lediglich der formale Phänomenbegriff gewonnen. Wird aber unter dem Sichzeigenden das Seiende verstanden, das etwa im Sinne Kants durch die empirische Anschauung zugänglich ist, dann kommt dabei der formale Phänomenbegriff zu einer rechtmäßigen Anwendung. Phänomen in diesem Gebrauch erfüllt die Bedeutung des vulgären Phänomenbegriffs. Dieser vulgäre ist aber nicht der phänomenologische Begriff von Phänomen. Im Horizont der Kantischen Problematik kann das, was phänomenologisch unter Phänomen begriffen wird, vorbehaltlich anderer Unterschiede, so illustriert werden, daß wir sagen: was in den Erscheinungen, dem vulgär verstandenen Phänomen, je vorgängig und mitgängig, obzwar unthematisch, sich schon zeigt, kann thematisch zum Sichzeigen gebracht werden, und dieses Sich-so-an-ihm-selbst-zeigende (»Formen der Anschauung«) sind Phänomene der Phänomenologie. Denn offenbar müssen sich Raum und Zeit so zeigen können, sie müssen zum Phänomen werden können, wenn Kant eine sachgegründete transzendentale Aussage damit beansprucht, wenn er sagt, der Raum sei das apriorische Worinnen einer Ordnung.

Soll aber nun der phänomenologische Phänomenbegriff überhaupt verstanden werden, abgesehen davon, wie das Sichzeigende näher bestimmt sein mag, dann ist dafür die Einsicht in den Sinn des formalen Phänomenbegriffs und seiner rechtmäßigen Anwendung in einer vulgären Bedeutung unumgängliche Voraussetzung. — Vor der Fixierung des Vorbegriffes der Phänomenologie ist die Bedeutung von λόγος zu umgrenzen, damit deutlich wird, in welchem Sinne Phänomenologie überhaupt »Wissenschaft von« den Phänomenen sein kann.


Martin Heidegger (GA 2) Sein und Zeit

GA 2