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§ 29. Da-sein als Befindlichkeit

diesen und umgekehrt, das Ausgleiten in Verstimmungen sind ontologisch nicht nichts, mögen diese Phänomene als das vermeintlich Gleichgültigste und Flüchtigste im Dasein unbeachtet bleiben. Daß Stimmungen verdorben werden und umschlagen können, sagt nur, daß das Dasein je schon immer gestimmt ist. Die oft anhaltende, ebenmäßige und fahle Ungestimmtheit, die nicht mit Verstimmung verwechselt werden darf, ist so wenig nichts, daß gerade in ihr das Dasein ihm selbst überdrüssig wird. Das Sein des Da ist in solcher Verstimmung als Lasta offenbar geworden. Warum, weiß man nicht. Und das Dasein kann dergleichen nicht wissen, weil die Erschließungsmöglichkeiten des Erkennens viel zu kurz tragen gegenüber dem ursprünglichen Erschließen der Stimmungen, in denen das Dasein vor sein Sein als Da gebracht ist. Und wiederum kann die gehobene Stimmung der offenbaren Last des Seins entheben; auch diese Stimmungsmöglichkeit erschließt, wenngleich enthebend, den Lastcharakter des Daseins. Die Stimmung macht offenbar, »wie einem ist und wird«. In diesem »wie einem ist« bringt das Gestimmtsein das Sein in sein »Da«.

In der Gestimmtheit ist immer schon stimmungsmäßig das Dasein als das Seiende erschlossen, dem das Dasein in seinem Sein überantwortet wurde als dem Sein, das es existierend zu sein hat. Erschlossen besagt nicht, als solches erkannt. Und gerade in der gleichgültigsten und harmlosesten Alltäglichkeit kann das Sein des Daseins als nacktes »Daß es ist und zu sein hat« aufbrechen. Das pure »daß es ist« zeigt sich, das Woher und Wohin bleiben im Dunkel. Daß das Dasein ebenso alltäglich dergleichen Stimmungen nicht »nachgibt«, das heißt [135] ihrem Erschließen nicht nachgeht und sich nicht vor das Erschlossene bringen läßt, ist kein Beweis gegen den phänomenalen Tatbestand der stimmungsmäßigen Erschlossenheit des Seins des Da in seinem Daß, sondern ein Beleg dafür. Das


a ,Last‘: das Zu-tragende; der Mensch ist dem Da-sein überantwortet, übereignet. Tragen: übernehmen aus der Zugehörigkeit zum Sein selbst.


Martin Heidegger (GA 2) Sein und Zeit

GA 2