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§ 34. Da-sein und Rede. Die Sprache .

Der Zusammenhang der Rede mit Verstehen und Verständlichkeit wird deutlich aus einer zum Reden selbst gehörenden existenzialen Möglichkeit, aus dem Hören. Wir sagen nicht zufällig, wenn wir nicht »recht« gehört haben, wir haben nicht »verstanden«. DaS Hören ist für das Reden konstitutiv. Und wie die sprachliche Verlautbarung in der Rede gründet, so das akustische Vernehmen im Hören. Das Hören auf... ist das existenziale Offensein des Daseins als Mitsein für den Anderen. Das Hören konstituiert sogar die primäre und eigentliche Offenheit des Daseins für sein eigenstes Seinkönnen, als Hören der Stimme des Freundes, den jedes Dasein bei sich trägt. Das Dasein hört, weil es versteht. Als verstehendes In-der-Welt-sein mit den Anderen ist es dem Mitdasein und ihm selbst »hörig« und in dieser Hörigkeit zugehörig. Das Aufeinander-hören, in dem sich das Mitsein ausbildet, hat die möglichen Weisen des Folgens, Mitgehens, die privativen Modi des Nicht-Hörens, des Widersetzens, des Trotzens, der Abkehr.

Auf dem Grunde dieses existenzial primären Hörenkönnens ist so etwas möglich wie Horchen, das selbst phänomenal noch ursprünglicher ist als das, was man in der Psychologie »zunächst« als Hören bestimmt, das Empfinden von Tönen und das Vernehmen von Lauten. Auch das Horchen hat die Seinsart des verstehenden Hörens. »Zunächst« hören -wir nie und nimmer Geräusche und Lautkomplexe, sondern den knarrenden Wagen, das Motorrad. Man hört die Kolonne auf dem Marsch, den Nordwind, den klopfenden Specht, das knisternde Feuer.

Es bedarf schon einer sehr künstlichen und komplizierten [164] Einstellung, tun ein »reines Geräusch« zu »hören«. Daß wir aber zunächst Motorräder und Wagen hören, ist der phänomenale Beleg dafür, daß das Dasein als In-der-Welt-sein je schon beim innerweltlich Zuhandenen sich aufhält und zunächst gar nicht bei »Empfindungen«, deren Gewühl zuerst geformt werden müßte, um das Sprungbrett abzugeben, von


Martin Heidegger (GA 2) Sein und Zeit

GA 2