Abkünftigkeit des traditionellen Wahrheitsbegriffes aufgezeigt.
Was jedoch in der Ordnung der existenzial-ontologischen Fundierungszusammenhänge das Letzte ist, gilt ontisch-faktisch als das Erste und Nächste. Dieses Faktum aber gründet hinsichtlich seiner Notwendigkeit wiederum in der Seinsart des Daseins selbst. Im besorgenden Aufgehen versteht sich das Dasein aus dem innerweltlich Begegnenden. Die dem Entdecken zugehörige Entdecktheit wird zunächst innerweltlich im Ausgesprochenen vorgefunden. Aber nicht nur die Wahrheit begegnet als Vorhandenes, sondern das Seinsverständnis überhaupt versteht zunächst alles Seiende als Vorhandenes. Die nächste ontologische Besinnung auf die zunächst ontisch begegnende »Wahrheit« versteht den λόγος (Aussage) als λόγος τινός (Aussage über ..., Entdecktheit von . ..), interpretiert aber das Phänomen als Vorhandenes auf seine mögliche Vorhandenheit. Weil diese aber dem Sinne von Sein überhaupt gleichgesetzt ist, kann die Frage, ob diese Seinsart der Wahrheit und ihre nächst begegnende Struktur ursprünglich sind oder nicht, überhaupt nicht lebendig werden. Das zunächst herrschende und noch heute nicht grundsätzlich und ausdrücklich überwundene Seinsverständnis des Daseins verdeckt selbst das ursprüngliche Phänomen der Wahrheit.
Zugleich darf aber nicht übersehen werden, daß bei den Griechen, die dieses nächste Seinsverständnis zuerst wissenschaftlich ausbildeten und zur Herrschaft brachten, zugleich das ursprüngliche, wenngleich vorontologische Verständnis der Wahrheit lebendig war und sich sogar gegen die in ihrer Ontologie liegende Verdeckung - mindestens bei Aristoteles — behauptete.23
[226] Aristoteles hat nie die These verfochten, der ursprüngliche »Ort« der Wahrheit sei das Urteil. Er sagt vielmehr, der
23 Vgl. Eth. Nic. Z und Met. Θ 10.