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»Andenken«

nennt die Schiffer. Von ihnen und nur von ihnen sagt die vierte Strophe des Gedichtes. Die fünfte Strophe spricht von den Männern, die am meerbreiten Ausgang des Stromes zu den Indiem gegangen sind. Also werden emeut die Schiffer genannt und dies gar in der Strophe, die mit dem Wort die Dichter endet. So wäre für Hölderlin der Name die Schiffer das Wesenswort für die Dichter? Brückenlos und doch sich zuwinkend stehen in einem Entwurf die Verse (Bruchstück n. 1, IV, 237):

So wandert das Wetter Gottes über
Aber du heilger Gesang
Und suchst armer Schiffer den gewohnten
Zu den Sternen siehe.

Die Schiffer sind die komm enden Dichter Gennaniens. Sie sagen das Heilige. Sie müssen deshalb den Himmel kennen und in den Himmelsrichtungen erfahren sein. Diesen Schiffern weist der Nordostden UrsprungsortdesheißenReichtums des himmlischen Feuers (>Die Titanen«, IV, 208 f.) voraus und bereitet ihnen die Gunst der Ausfahrt über die See in die Fremde. Die Erfahrung des Feuers vom Himmel im fremden Land wird durch den Nordost verheißen. Dieser Wind »heißt« die Dichter sich in das Geschick ihres geschichtlichen Wesens finden. Weil der Nordost die Gewähr dieser Schickimg schenkt, ist er die Wahrheit des verborgenen Wesenswillens dieses Dichters. Uberall wo Hölderlin in diesem Gedicht ich und mir sagt, spricht er als dieser Dichter. Das gilt nicht nur insofern, als diese »persönlichen Fürwörter« in einem von Hölderlin gedichteten Gedicht vorkommen, sondern weil dieses Andenken auf die Wesensschickung dieses Dichters hinaus und nicht an seine »persönlichen Erlebnisse« zurückdenkt. Die Vorliebe dieses Dichters für den Nordost begrüßt in diesem Wind die Einräumung des Zeit-Raumes, in dem der


Martin Heidegger (GA 4) Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung