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Nietzsches Wort *Gott ist tot*

das Zunehmen oder Ahnehmen dieser herrschaftlichen Zentren« (nämlich hinsichtlich ihres Herrschaftsciharakters).

Sofern Nietzsche in der angeführten Umgrenzung des Wesens des Wertes diesen als gesichtspunkthafte Bedingung der Erhaltung und Steigerung des Lebens begreift, das Leben aber in das Werden als den Willen zur Macht gegründet sieht, enthüllt sich der Wille zur Macht als dasjenige, was jene Gesichtspunkte setzt. Der Wille zur Macht ist das, was aus seinem »inneren Prinzip« (Leibniz) her als der nisus im esse des ens nach Werten schätzt. Der Wille zur Macht ist der Grund für die Notwendigkeit der Wert-setzung und der Ursprung der Möglichkeit der Wertschätzung. Daher sagt Nietzsche (W. z. M. A. 14. a. d. J. 1887): »Die Werte und deren Veränderung stehen im Verhältnis zu dem Macht-Wachstum des Wertsetzenden.«

Hier wird deutlich: Die Werte sind die vom Willen zur Macht selbst gesetzten Bedingungen seiner selbst. Erst da, wo der Wille zur Macht als der Grundzug alles Wirklichen zum Vorschein kommt, d. h. wahr wird und demgemäß als die Wirklichkeit alles Wirklichen begriffen wird, zeigt sich, von woher die Werte entspringen und wodurch alle Wertschätzung getragen und geleitet bleibt. Das Prinzip der Wertsetzung ist jetzt erkannt. Die Wertsetzung wird künftig »prinzipiell«, d. h. aus dem Sein als dem Grund des Seienden vollziehbar.

Der Wille zur Macht ist daher als dieses erkannte und d. h. [214] gewollte Prinzip zugleich das Prinzip einer neuen Wertsetzung. Sie ist neu, weil sie sich zum ersten Mal aus dem Wissen ihres Prinzips wissentlich vollzieht. Die Wertsetzung ist neu, weil sie sich selbst ihres Prinzips versichert und diese Sicherung zugleich als einen aus ihrem Prinzip gesetzten Wert festhält. Der Wille zur Macht ist aber als das Prinzip der neuen Wertsetzung im Verhältnis zu den bisherigen Werten zugleich das Prinzip der Umwertung aller bisherigen Werte. Weil jedoch die bisherigen obersten Werte aus der Höhe des Übersinnlichen über das Sinnliche herrschten, das Gefüge dieser Herrschaft


Martin Heidegger (GA 5) Holzwege

GA 5