WOZU DICHTER?
»... und wozu Dichter in dürftiger Zeit?« fragt Hölderlins Elegie »Brod und Wein«. Wir verstehen heute kaum die Frage. Wie wollen wir schon die Antwort, die Hölderlin gibt, begreifen?
»... und wozu Dichter in dürftiger Zeit?« Das Wort Zeit meint hier das Weltalter, dem wir selbst noch angehören. Mit dem Erscheinen und dem Opfertod Christi ist für die geschichtliche Erfahrung Hölderlins das Ende des Göttertages angebrochen. Es wird Abend. Seitdem die »einigen drei«, Herakles, Dionysos und Christus, die Welt verlassen haben, neigt sich der Abend der Weltzeit ihrer Nacht zu. Die Weltnacht breitet ihre Finsternis aus. Das Weltalter ist durch das Wegbleiben des Gottes, durch den »Fehl Gottes« bestimmt. Der von Hölderlin erfahrene Fehl Gottes leugnet jedoch weder ein Fortbestehen des christlichen Gottesverhältnisses bei Einzelnen und in den Kirchen, noch beurteilt er gar dieses Gottesverhältnis abschätzig. Der Fehl Gottes bedeutet, daß kein Gott mehr sichtbar und eindeutig die Menschen und die Dinge auf sich versammelt und aus solcher Versammlung die Weltgeschichte und den menschlichen Aufenthalt in ihr fügt. Im Fehl Gottes kündigt sich aber noch Ärgeres an. Nicht nur die Götter und der Gott sind entflohen, sondern der Glanz der Gottheit ist in der Weltgeschichte erloschen. Die Zeit der Weltnacht ist die dürftige Zeit, weil sie immer dürftiger wird. Sie ist bereits so dürftig geworden, daß sie nicht mehr vermag, den Fehl Gottes als Fehl zu merken.
Mit diesem Fehl bleibt für die Welt der Grund als der gründende aus. Abgrund bedeutet ursprünglich den Boden und Grund, zu dem als dem untersten, den Abhang hinab, etwas hängt. Im folgenden sei jedoch das »Ab-« als das völlige Abwesen