seines Wesens sich einlassen und somit Gefährliches denken. Dann wäre der Gang des Besinnens glücklich bei jenem »gefährlich denken«, das die schon genug verwirrte Menschenwelt noch auf das Abenteuerliche und Bodenlose stellt, angelangt. Verherrlichung der Gefahr und Mißbrauch der Gewalt - steigert nicht das eine wechselweise das andere?

Das oft nachgeredete Nietzsche-Wort vom »gefährlich leben« gehört in den Bereich der Metaphysik des Willens zur Macht und verlangt den aktiven Nihilismus, der jetzt als die unbedingte Herrschaft des Unwesens des Nihilismus zu denken ist. Aber Gefahr als Risiko des unbedingten Gewaltvollzugs und Gefahr als Bedrohung der Wesensvernichtung des Menschen, herkommend aus dem Ausbleiben des Seins selbst, sind nicht das Gleiche. Indes ist das Nicht-denken an das als Metaphysik geschehende Auslassen der Not des Seins selbst die Verblendung gegen die Notlosigkeit als die Wesensnot des Menschen. Diese Verblendung kommt aus der uneingestandenen Angst vor der Angst, die als der Schrecken das Ausbleiben des Seins selbst erfährt.

Vielleicht ist die Verblendung gegen die äußerste Not des Seins in der Gestalt der herrschenden Notlosigkeit inmitten aller Bedrängnis des Seienden, auf die Dauer der Seinsgeschichte hinaus gesehen, gefährlicher noch als das grobschlächtige Abenteuern des nur brutalen Gewaltwillens. Dieses Gefährlichere besteht in dem Optimismus, der als seine Gegnerschaft nur den Pessimismus zuläßt. Beide jedoch sind Wertschätzungen in Bezug auf das Seiende innerhalb des Seienden. Beide bewegen sich im Bezirk des metaphysischen Denkens und betreiben das Auslassen des Ausbleibens des Seins. Sie steigern die Notlosigkeit und betreiben, ohne ein mögliches Besinnen, nur dies, daß die Notlosigkeit nicht als die Not erfahren und erfahrbar wird.

Die Not des Seins beruht darin, daß es das zwiefach Nötigende


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Martin Heidegger (GA 6 II) Nietzsche II

GA 6-2