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Die Frage nach der Technik

Das Ge-stell verstellt das Scheinen und Walten der Wahrheit. Das Geschick, das in das Bestellen schickt, ist somit die äußerste Gefahr. Das Gefährliche ist nicht die Technik. Es gibt keine Dämonie der Technik, wohl dagegen das Geheimnis ihres Wesens. [32] Das Wesen der Technik ist als ein Geschick des Entbergens die Gefahr. Die gewandelte Bedeutung des Wortes »Ge-stell« wird uns jetzt vielleicht schon um einiges vertrauter, wenn wir Ge-stell im Sinne von Geschick und Gefahr denken.

Die Bedrohung des Menschen kommt nicht erst von den möglicherweise tödlich wirkenden Maschinen und Apparaturen der Technik. Die eigentliche Bedrohung hat den Menschen bereits in seinem Wesen angegangen. Die Herrschaft des Ge-stells droht mit der Möglichkeit, daß dem Menschen versagt sein könnte, in ein ursprünglicheres Entbergen einzukehren und so den Zu spruch einer anfänglicheren Wahrheit zu erfahren.

So ist denn, wo das Ge-stell herrscht, im höchsten Sinne Gefahr.


»Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.«


Bedenken wir das Wort Hölderlins sorgsam. Was heißt »retten«? Gewöhnlich meinen wir, es bedeute nur: das vom Untergang Bedrohte gerade noch erhaschen, um es in seinem bisherigen Fortbestehen zu sichern. Aber »retten« sagt mehr. »Retten« ist: einholen ins Wesen, um so das Wesen erst zu seinem eigentlichen Scheinen zu bringen. Wenn das Wesen der Technik, das Ge-stell, die äußerste Gefahr ist und wenn zugleich Hölderlins Wort Wahres sagt, dann kann sich die Herrschaft des Ge-stells nicht darin erschöpfen, alles Leuchten jedes Entbergens, alles Scheinen der Wahrheit nur zu verstellen. Dann muß vielmehr gerade das Wesen der Technik das Wachstum des Rettenden in sich bergen. Könnte dann aber nicht ein zureichender Blick in das, was das Ge-stell als ein Geschick des Entbergens ist, das Rettende in seinem Aufgehen zum Scheinen bringen?


Martin Heidegger (GA 7) Vorträge und Aufsätze

The Question Concerning Technology - Basic Writings p. 333

GA 7