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Bauen Wohnen Denken


der Zweck, der allem Bauen vorsteht. Wohnen und Bauen stehen zueinander in der Beziehung von Zweck und Mittel. Allein, solange wir nur dies meinen, nehmen wir Wohnen und Bauen für zwei getrennte Tätigkeiten und stellen dabei etwas Richtiges vor. Doch zugleich verstellen wir uns durch das Zweck-Mittel-Schema die wesentlichen Bezüge.

Bauen nämlich ist nicht nur Mittel und Weg zum Wohnen, das Bauen ist in sich selber bereits Wohnen. Wer sagt uns dies? Wer gibt uns überhaupt ein Maß, mit dem wir das Wesen von Wohnen und Bauen durchmessen? Der Zuspruch über das Wesen ei-ner Sache kommt zu uns aus der Sprache, vorausgesetzt, daß wir deren eigenes Wesen achten. Inzwischen freilich rast ein zügelloses und zugleich gewandtes Reden, Schreiben und Senden von Gesprochenem um den Erdball. Der Mensch gebärdet sich, als sei er Bildner und Meister der Sprache, während doch die Herrin des Menschen bleibt. Vielleicht ist es vor allem anderen die vom Menschen betriebene Verkehrung dieses Herrschaftsverhältnisses, was sein Wesen in das Unheimische treibt. Daß wir auf die Sorgfalt des Sprechens halten, ist gut, aber es hilft nicht, solange uns auch dabei noch die Sprache nur als ein Mittel des Ausdrucks dient. Unter allen Zusprächen, die wir Menschen von uns her mit zum Sprechen bringen können, ist die Sprache der höchste und der überall erste.

Was heißt nun Bauen? Das althochdeutsche Wort für bauen, »buan«, bedeutet wohnen. Dies besagt: bleiben, sich aufhalten. Die eigentliche Bedeutung des Zeitwortes bauen, nämlich woh-nen, ist uns verlorengegangen. Eine verdeckte Spur hat sich noch im Wort »Nachbar« erhalten. Der Nachbar ist der »Nachgebur«, der »Nachgebauer«, derjenige, der in der Nähe wohnt. Die Zeitwörter buri, büren, beuren, beuron bedeuten alle das Wohnen, die Wohnstätte. Nun sagt uns freilich das alte Wort buan nicht nur, bauen sei eigentlich wohnen, sondern es gibt uns zugleich einen Wink, wie wir das von ihm genannte Wohnen denken müssen. Wir stellen uns gewöhnlich, wenn vom Wohnen die Rede ist, ein Verhalten vor, das der Mensch neben vielen anderen Verhaltungsweisen


Martin Heidegger (GA 7) Vorträge und Aufsätze