Alle Entfernungen in der Zeit und im Raum schrumpfen ein. [157] Wohin der Mensch vormals wochen- und monatelang unterwegs war, dahin gelangt er jetzt durch die Flugmaschine über Nacht. Wovon der Mensch früher erst nach Jahren oder überhaupt nie eine Kenntnis bekam, das erfährt er heute durch den Rundfunk stündlich im Nu. Das Keimen und Gedeihen der Gewächse, das die Jahreszeiten hindurch verborgen blieb, führt der Film jetzt öffentlich in einer Minute vor. Entfernte Stätten ältester Kulturen zeigt der Film, als stünden sie eben jetzt im heutigen Straßenverkehr. Der Film bezeugt überdies sein Gezeigtes noch dadurch, daß er zugleich den aufnehmenden Apparat und den ihn bedienenden Menschen bei solcher Arbeit vorführt. Den Gipfel der Beseitigung jeder Möglichkeit der Ferne erreicht die Fernsehapparatur, die bald das ganze Gestänge und Geschiebe des Verkehrs durchjagen und beherrschen wird.
Der Mensch legt die längsten Strecken in der kürzesten Zeit zurück. Er bringt die größten Entfernungen hinter sich und bringt so alles auf die kleinste Entfernung vor sich.
Allein, das hastige Beseitigen aller Entfernungen bringt keine Nähe; denn Nähe besteht nicht im geringen Maß der Entfernung. Was streckenmäßig in der geringsten Entfernung zu uns steht, durch das Bild im Film, durch den Ton im Funk, kann uns fern bleiben. Was streckenmäßig unübersehbar weit entfernt ist, kann uns nahe sein. Kleine Entfernung ist nicht schon Nähe. Große Entfernung ist noch nicht Ferne.
Was ist die Nähe, wenn sie, trotz der Verringerung der längsten Strecken auf die kürzesten Abstände, ausbleibt? Was ist die Nähe, wenn sie durch das rastlose Beseitigen der Entfernungen sogar [158] abgewehrt wird? Was ist die Nähe, wenn mit ihrem Ausbleiben auch die Ferne wegbleibt?
Was geht da vor sich, wenn durch das Beseitigen der großen Entfernungen alles gleich fern und gleich nahe steht? Was ist dieses Gleichförmige, worin alles weder fern noch nahe, gleichsam ohne Abstand ist?
Alles wird in das gleichförmig Abstandlose zusammenge-schwemmt.
The Thing - Poetry, Language, Thought p. 163