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»... dichterisch wohnet der Mensch...«

damit alles darin übereinkomme. Das selbe ist dagegen das Zusammengehören des Verschiedenen aus der Versammlung durch den Unterschied. Das Selbe läßt sich nur sagen, wenn der Unterschied gedacht wird. Im Austrag des Unterschiedenen kommt das versammelnde Wesen des selben zum Leuchten. Das selbe verbannt jeden Eifer, das Verschiedene immer nur in das gleiche auszugleichen. Das selbe versammelt das Unterschiedene in eine ursprüngliche Einigkeit. Das gleiche hingegen zerstreut in die fade Einheit des nur einförmig Einen. Hölderlin wußte auf seine Art von diesen Verhältnissen. Er sagt in einem Epigramm, das die Überschrift trägt: »Wurzel alles Übels« das folgende:


»Einig zu seyn, ist göttlich und gut; woher ist die Sucht denn Unter den Menschen, daß nur Einer und Eines nur sei?«

(Stuttg. Ausg. 1,1 S. 305)


Wenn wir dem nachdenken, was Hölderlin über das dichterische Wohnen des Menschen dichtet, vermuten wir einen Weg, auf dem wir durch das verschieden Gedachte hindurch uns dem Selben nähern, was der Dichter dichtet.

Doch was sagt Hölderlin vom dichterischen Wohnen des Menschen? Wir suchen die Antwort auf die Frage, indem wir auf die Verse 24 bis 38 des genannten Gedichtes hören. Denn aus ihrem Bereich sind die beiden zunächst erläuterten Verse gesprochen. Hölderlin sagt:


»Darf, wenn lauter Mühe das Leben, ein Mensch
Aufschauen und sagen: so
Will ich auch seyn? Ja. So lange die Freundlichkeit, noch
Am Herzen, die Reine, dauert, misset
Nicht unglüklich der Mensch sich
Mit der Gottheit. Ist unbekannt Gott?
Ist er offenbar wie der Himmel? Dieses
Glaub' ich eher. Des Menschen Maaß ist's.
Voll Verdienst, doch dichterisch, wohnet

Martin Heidegger GA 7 Vorträge und Aufsätze page 197

GA 7