Beilage zu den Hinweisen
Als Beispiel eines ausgezeichneten nichtobjektivierenden Denkens und Sagens kann die Dichtung dienen.
In Die Sonette an Orpheus I, 3 sagt Rilke in dichterischer Weise, wodurch das dichtende Denken und Sagen bestimmt wird. »Gesang ist Dasein.« (vgl. dazu Holzwege, S. 292ff.). Gesang, das singende Sagen des Dichters ist »nicht Begehr«, »nicht Werbung« um solches, was am Ende durch menschliche Leistung als Effekt erreicht wird.
Das dichtende Sagen ist »Dasein«. Dieses Wort »Dasein« wird hier im überlieferten Sinne der Metaphysik gebraucht. Es bedeutet: Anwesenheit.
Das dichtende Sagen ist Anwesen bei... und für den Gott. Anwesenheit meint: einfaches Bereitsein, das nichts will, auf keinen Erfolg rechnet. Anwesen bei... : reines Sichsagenlassen die Gegenwart des Gottes.
In solchem Sagen wird nicht etwas gesetzt und vorgestellt als Gegenstand und als Objekt. Hier findet sich nichts, was ein zugreifendes oder umgreifendes Vorstellen sich entgegenstellen könnte.
»Ein Hauch um nichts«. »Hauch« steht für das Ein- und Ausatmen, für das Sichsagenlassen, das dem Zugesagten antwortet. Es bedarf keiner weitläufigen Erörterung, um sichtbar zu machen, daß der Frage nach dem sachgerechten Denken und Sagen die Frage nach dem Sein des jeweils sich zeigenden Seienden zugrundeliegt.
Sein als Anwesenheit kann sich in verschiedenen Weisen der Präsenz zeigen. Anwesendes braucht nicht Gegenstand zu werden; der Gegenstand braucht nicht als Objekt empirisch wahrgenommen zu werden, (vgl. Heidegger, Nietzsche Bd. II, Abschnitt VIII und IX).
Pathmarks p. 61