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Alis der letzten Marburger Vorlesung

ist nicht ein Geschehen, das gelegentlich auch vorstellt oder gar 387 Vorstellungen produziert, er ist wesenhaft vorstellend. Die Struktur des drängenden Geschehens selbst ist ausgreifend, ist ekstatisch. Das Vor-stellen ist nicht ein pures Anstarren, sondern vorgreifende, das Mannigfaltige sich zu-stellende Einigung im Einfachen. In den Principes de la Nature et de la Grace sagt Leibniz (§2): ... les actions internes ... ne peuvent être autre chose que ses perceptions, (c'est à dire les représentations du composé, ou de ce qui est dehors, dans le simple) ... An des Bosses schreibt er: Perceptio nihil aliud quam multorum in uno expressio (Gerh. II, 511) und; Numquam versatur perceptio circa objectum, in quo non sit aliqua varietas seu multitudo (ib. 317).

Wie das »Vorstellen« gehört auch das »Streben« zur Struktur des Dranges (νόησις--δρεξις). Leibniz nennt neben der perceptio (repraesentatio) noch ausdrücklich ein zweites Vermögen, den appetitus. Den appetitus muß Leibniz nur deshalb noch eigens betonen, weil er selbst nicht sofort das Wesen der vis activa radikal genug faßt — trotz der klaren Abgrenzung gegen potentia activa und actio. Die Kraft bleibt noch scheinbar etwas Substantielles, ein Kern, der dann mit Vorstellen und Streben begabt wird, während, der Drang in sich selbst vorstellendes Streben, strebendes Vorstellen ist. Allerdings hat der Charakter des appetitus noch eine besondere Bedeutung, er ist nicht gleichbedeutend mit Drang. Appetitus meint ein eigenes wesenhaftes konstitutives Drangmoment wie die perceptio.

Der ursprünglich einigende Drang muß jeder möglichen Mannigfaltigkeit schon voraus sein, er muß ihr der Möglichkeit nach gewachsen sein, sie schon übertroffen und überholt haben. Der Drang muß die Mannigfaltigkeit in gewisser Weise in sich tragen und im Drängen in sich geboren werden lassen. Es gilt den Wesensursprung der Mannigfaltigkeit im Drang als solchem zu sehen.

Erinnert sei nochmals: Der vorweg überholende Drang ist ursprünglich einigende Einheit, d. h. die Monade ist substantia. Substantiae non tota sunt quae contineant partes formaliter,

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