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Vom Wesen des Grundes

geschlagen haben. Diesen Grund der ontologischen Differenz nennen wir vorgreifend die Transzendenz des Daseins.

Kennzeichnet man alles Verhalten zu Seiendem als intentionales, dann ist die Intentionalität nur möglich auf dem Grunde der Transzendenz, aber weder mit dieser identisch noch gar umgekehrt selbst die Ermöglichung der Transzendenz15.

Bisher galt es nur, in wenigen, aber wesentlichen Schritten zu zeigen, daß das Wesen der Wahrheit ursprünglicher gesucht werden muß als die traditionelle Kennzeichnung dieser im Sinne einer Eigenschaft von Aussagen zulassen möchte. Wenn aber das Wesen des Grundes einen inneren Bezug zum Wesen der Wahrheit hat, dann kann auch das Problem des Grundes nur dort beheimatet sein, wo das Wesen der Wahrheit seine innere Möglichkeit schöpft, im Wesen der Transzendenz. Die Frage nach dem Wesen des Grundes wird zum Transzendenzproblem.

Ist diese Verklammerung von Wahrheit, Grund, Transzendenz eine ursprünglich einige, dann muß auch die Verkettung der entsprechenden Probleme überall da ans Licht drängen, wo die Frage nach dem »Grunde« — und sei es auch nur in der Form einer ausdrücklichen Erörterung des Satzes vom Grunde — entschlossener ergriffen wird.

Schon die aus Leibniz angeführte Stelle verrät die Verwandtschaft zwischen »Grund«- und Seinsproblem. Verum esse besagt inesse qua idem esse. Verum esse — Wahrsem bèdeutet aber für Leibniz zugleich »in Wahrheit« sein — esse schlechthin. Dann ist die Idee von Sein überhaupt ausgelegt durch inesse qua idem esse. Was ein ens zu einem ens macht, ist die »Identität«, die rechtverstandene Einheit, die als einfache ursprünglich einigt und in diesem Einigen zugleich vereinzelt. Die ursprünglich (vorgreifende) einfach vereinzelnde Einigung, die das Wesen von Seiendem als solchem ausmacht, ist aber das Wesen der monadologisch verstandenen »Subjektivität« des subjectum (Substanzialität der Substanz). Die Leibnizische Herleitung des principium rationis aus dem Wesen der Satzwahrheit bekundet

15 Vgl. a. a. 0. § 69 c, S. 364 ff. und überdies S. 363 Anm.


7 Heidegger, Gesamtband

GA 9