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Vom Wesen des Grundes

zumeist verborgen geschieht. Das Wesen des ἀγαθόν liegt in der Mächtigkeit seiner selbst als οὗ ἕνεκα — als das Umwillen von... ist es die Quelle von Möglichkeit als solcher, Und weil schon das Mögliche höher liegt denn das Wirkliche, deshalb ist gar ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἕξις, die Wesensquelle von Möglichkeit, μειζόνως τιμητέον58.

Freilich wird gerade jetzt der Bezug des Umwillen zum Dasein problematisch. Allein dieses Problem kommt nicht an den Tag. Vielmehr bleiben nach traditiongewordener Lehre die Ideen an einem ὑπερουράνιος τόπος; es gilt nur, sie als das Objektivste der Objekte, als das Seiende am Seienden, zu sichern, ohne daß sich dabei das Umwillen als primärer Weltcharakter zeigte und so der ursprüngliche Gehalt des ἐπέκεινα als Transzendenz des Daseins zur Auswirkung käme. Umgekehrt erwacht später nun auch die im »wiedererinnernden« »Selbstgespräch der Seele« bei Plato schon vorgebildete Tendenz, die Ideen als dem »Subjekt« eingeboren zu fassen. Beide Versuche bekunden, daß die Welt dem Dasein sowohl vorgehalten (jenseitig) ist, als auch zugleich wieder im Dasein sich selbst bildet. Die Geschichte des Ideenproblems zeigt, wie die Transzendenz immer schon ans Licht drängt, aber zugleich zwischen zwei selbst unzureichend gegründeten und bestimmten Polen der möglichen Auslegung hin und her schwingt. Die Ideen gelten für objektiver als die Objekte und zugleich für subjektiver als das Subjekt. Wie an die Stelle des nicht wiedererkannten Weltphänomens ein ausgezeichneter Bezirk des Immerseienden tritt, so wird auch der Bezug zur Welt im Sinne einer bestimmten Verhaltung zu diesem Seienden, als νοεῖν, intuitus, als nicht mehr vermitteltes Vernehmen, »Vernunft«, gedeutet. Das »transzendentale Ideal« geht zusammen mit dem intuitus originarius.

In dieser flüchtigen Erinnerung an die noch verborgene Geschichte des ursprünglichen Transzendenzproblems muß die Einsicht erwachsen, daß die Transzendenz nicht durch eine Flucht [58]


58 A. a. O. 509A.


Martin Heidegger (GA 9) Wegmarken

GA 9