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Vom Wesen der Wahrheit

ein »geschöpfliebes« ist, darin, daß Sache und Satz in gleicher Weise ideegerecht und deshalb aus der Einheit des göttlichen Schöpfungsplanes aufeinander zugerichtet sind. Die Veritas als adaequatio rei (creandae) ad intellectum (divinum) gibt die Gewahr für die Veritas als adaequatio intellectus (humani) ad rem (creatam). Veritas meint im Wesen überall die convenientia, das Übereinkommen des Seienden unter sich als eines geschaffenen mit dem Schöpfer, ein »Stimmen« nach der Bestimmung der Schöpfungsordnung a.

Aber diese Ordnung kannnunauch, abgelöst vom Schöpfungsgedanken, allgemein und unbestimmt als Weltordnung vorgestellt werden. An die Stelle der theologisch gedachten Schöpfungsordnung rückt die Planbarkeit aller Gegenstände durch die Weltvernunft, die sich selbst das Gesetz gibt und daher auch die unmittelbare Verständlichkeit ihres Vorgehens (das, was man für »logisch« hält) beansprucht. Daß das Wesen der Satzwahrheit in der Richtigkeit der Aussage besteht, hält man für ausgemacht. Auch dort, wo man sich mit einer merkwürdigen Vergeblichkeit abmüht zu erklären, wie die Richtigkeit zustande kommen soll, setzt man sie schon als das Wesen der Wahrheit voraus. Desgleichen bedeutet die Sachwahrheit immer die Einstimmigkeit des vorhandenen Dinges mit seinem »vernünftigen« Wesensbegriff. Der Anschein entsteht, diese Bestimmung des Wesens der Wahrheit bleibe unabhängig von der Auslegung des Wesens des Seins alles Seienden, die jeweils eine entsprechende Auslegung des Wesens des Menschen als des Trägers und Vollziehers des intellectus einschließt. So gewinnt die Formel für das Wesen der Wahrheit (veritas est adaequatio intellectus et rei) ihre für jedermann sogleich einsichtige Gemeingültigkeit. Unter der Herrschaft der in ihren Wesensgründen kaum beachteten Selbstverständlichkeit dieses Wahrheitsbegriffes nimmt


a 1. Auflage 1943: Kein doppeltes Übereinkommen, sondern eines, aber mehrfach gefügtes: Weü Übereinkunft mit dem Schöpfer, deshalb (als Geschaffenes in gewisser Weise Göttliches) unter sich; die ›Entsprechung‹ in einem wesentlicheren Sinne, als ihn die grobe, ungedachte, von Aristoteles übernommene analogia entis der Scholastik meint.

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