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Vom Wesen der Wahrheit

Dasein ist die Wendung in die Not. Aus dem Da-sein des Menschen und aus ihm allein entspringt die Entbergung der Notwendigkeit und ihr zufolge die mögliche Versetzung in das Unumgängliche.

Die Entbergung des Seienden als eines solchen ist in sich zugleich die Verbergung des Seienden im Ganzen. Im Zugleich der Entbergung und Verbergung waltet die Irre. Die Verbergung des Verborgenen und die Irre gehören in das anfängliche Wesen der Wahrheit. Die Freiheit, aus der in-sistenten Ek-sistenz des Daseins begriffen, ist das Wesen der Wahrheit (im Sinne der Richtigkeit des Vor-stellens) nur deshalb, weil die Freiheit selbst dem anfänglichen Wesen der Wahrheit, dem Walten des Geheimnisses in der Irre, entstammt. Das Seinlassen des Seienden vollzieht sich im offenständigen Verhalten. Das Seinlassen des Seienden als eines solchen im Ganzen geschieht aber wesensgerecht erst dann, wenn es zuweilen in seinem anfänglichen Wesen übernommen wird. Dann ist die Ent-schlossenheit zum Geheimnis unterwegs in die Irre als solche. Dann wird die Frage nach dem Wesen der Wahrheit ursprünglicher gefragt. Dann enthüllt sich der Grund der Verflechtung des Wesens der Wahrheit mit der Wahrheit des Wesens. Der Ausblick in das Geheimnis aus der Irre ist das Fragen im Sinne der einzigen Frage, was das Seiende als solches im Ganzen sei. Dieses Fragen denkt die wesentlich beirrende und daher in ihrer Mehrdeutigkeit noch nicht gemeisterte Frage nach dem Sein des Seienden. Das Denken des Seins, dem solches Fragen anfänglich entstammt, begreift sich [152] seit Platon als »Philosophie« und erhält später den Titel »Metaphysik«.


8.


Die Wahrheitsfrage und die Philosophie


Im Denken des Seins kommt die geschichtegründende Befreiung des Menschen zur Ek-sistenz ins Wort, das nicht erst der »Ausdruck« einer Meinung, sondern je schon das gutverwahrte Gefüge


Martin Heidegger (GA 9) Wegmarken

Pathmarks p. 151