füge der Wahrheit des Seienden im Ganzen ist. Wie viele für dieses Wort das Ohr haben, zählt nicht. Wer Jene sind, die hören können, entscheidet über den Standort des Menschen in der Geschichte. In demselben Weltaugenblick jedoch, den der Anfang der Philosophie erfüllt, beginnt auch erst die ausgeprägte Herrschaft des gemeinen Verstandes (die Sophistik).
Dieser beruft sich auf die Fraglosigkeit des offenbaren Seienden und deutet jedes denkende Fragen als einen Angriff auf den gesunden Menschenverstand und seine unglückliche Gereiztheit.
Aber was die Philosophie nach der Schätzung des gesunden und in seinem Bezirk wohlberechtigten Verstandes ist, trifft nicht ihr Wesen, das sich nur aus dem Bezug zur ursprünglichen Wahrheit des Seienden als solchen im Ganzen bestimmen läßt. Weil aber das volle Wesen der Wahrheit das Unwesen einschließt und allem zuvor als Verbergung waltet, ist die Philosophie als das Erfragen dieser Wahrheit in sich zwiespältig. Ihr Denken ist die Gelassenheit der Müde, die der Verborgenheit des Seienden im Ganzen sich nicht versagt. Ihr Denken ist zumal die Ent-schlossenheit der Strenge, die nicht die Verbergung sprengt, aber ihr unversehrtes Wesen ins Offene des Begreifens und so in ihre eigene Wahrheit nötigt.
In der milden Strenge und strengen Milde ihres Seinlassens des Seienden als solchen im Ganzen wird die Philosophie zu einem Fragen, das sich nicht einzig an das Seiende halten, aber auch keinen Machtspruch von außen zulassen kann. Diese innerste Not des Denkens hat Kant geahnt; denn er sagt von der Philosophie: »Hier sehen wir nun die Philosophie in der Tat auf einen mißlichen Standpunkt gestellt, der fest sein soll, unerachtet er weder im Himmel noch auf der Erde an etwas gehängt oder woran gestützt wird. Hier soll sie ihre Lauterkeit beweisen als Selbsthalterin ihrer Gesetze, nicht als Herold derjenigen, welche ihr ein eingepflanzter Sinn oder wer weiß welche vormundschaftliche Natur einflüstert...« (Grundlegung der Metaphysik der Sitten. Werke. Akademieausgabe IV, 425.)