Gleichwohl möchte man auf die Meinung verfallen, das von der φύσις her bestimmte Seiende sei Solches, was sich eben dann selbst macht. Diese Meinung drängt sich so leicht und unversehens auf, daß sie ja für die Auslegung zumal der lebendigen Natur maßgebend wurde, was sich darin ausdrückt, daß man seit der Herrschaft des neuzeitlichen Denkens das Lebendige als »Organismus« begreift. Es mag wohl noch geraume Zeit dauern, bis wir einsehen lernen, daß der Gedanke des »Organismus« und des »Organischen« ein rein neuzeitlicher, mechanisch-technischer Begriff ist, dem gemäß das Gewächs als ein sich selbst machendes Gemächte ausgelegt wird. Schon Wort und Begriff »Pflanze« nimmt die Gewächse als »Setzlinge« und Gesetztes und Gezüchtetes; und es gehört zur wesenhaften Unlogik der Sprache, daß wir statt von »Pflanzenhäusern« von »Gewächshäusern« reden.
Bei allem Gemachten aber ist der Ausgang des Machens »außerhalb« des Gemachten; von diesem her gesehen stellt sich die ἀρχή immer erst beiher mit ein. Um die φύσις nicht zu mißdeuten als eine Selbstherstellung und die φύσει ὄντα nur als eine besondere Art von Gemächten, verdeutlicht Aristoteles das καθ᾽ αὑτό durch den Zusatz καὶ μὴ κατὰ συμβεβηκός. Das καὶ hat hier die Bedeutung von »und das will sagen«. Was diese abwehrende Bemerkung meint, erläutert Aristoteles durch ein Beispiel:
»Ich füge aber hinzu ›das nicht in der Weise des Beihergekommenen‹, weil ja einer wohl von sich aus für sich selbst das (Ausgängliche und Verfügende) Urtümliche der >Gesundheit< werden dürfte und dabei doch zugleich Arzt sein könnte; aber gleichwohl hat er das ärztliche Sichauskennen bei sich, nicht sofern er gesundet, vielmehr sind für diesen Fall in einem und demselben Menschen zusammengekommen, Arzt zu sein und zu gesunden; deshalb besteht auch Beides je und je für sich voneinander getrennt.« (192 b 23-27)
Aristoteles, der Sohn eines Arztes, gebraucht gern, auch in anderen Zusammenhängen, Beispiele aus der ärztlichen »πρᾶξις«.
12 Heidegger, Gesamtband