Doch nicht weniger wichtig als der erste Blick in die Geschichte des Seins als Geschick bleibt das Andere. Es gilt nämlich im voraus zu beachten, daß und inwiefern schon in der Geschichte des abendländischen Denkens das zu einem Vorschein kommt, was wir Geschick des Seins nennen. Um dies deutlicher zu sehen und künftig eindringlicher anzueignen, versuchen wir zwei Winke aus der Geschichte des abendländischen Denkens aufzufangen.
Den ersten entnehmen wir der Vorlesung des Aristoteles über die »Physis«. In der »Physik« des Aristoteles wird die Wesensherkunft dessen angezeigt, was, philosophisch gedacht, Metaphysik ist und durch alle Abwandlungen hindurch bleibt. Aristoteles sagt im Beginn seiner Physikvorlesung Sätze über das Sein des Seienden, die zeigen: Sein ist φύσις, das von sich her Offenkundige. Dies sagt: Sichentbergen ist ein Grundzug des Seins. Aber schon dieser Satz bleibt in der Weise, wie wir ihn geradewegs aussagen, für unser gewöhnliches Hören und Sprechen immer mißverständlich. Sichentbergen ist ein Grundzug des Seins. Dies hört sich so an: Es gibt Sein, und dieses Sein hat dann außerdem noch die Beschaffenheit, daß es sich entbirgt. Aber Sein ist nicht mit der Beschaffenheit ausgestattet, daß es sich entbirgt, sondern das Sichentbergen gehört zum Eigenen des Seins. Sein hat sein Eigenes im Sichentbergen. Sein ist nicht zuvor etwas für sich, das dann erst ein Sichentbergen bewerkstelligt. Sichentbergen ist keine Beschaffenheit des Seins, sondern: Sichentbergen gehört in die Eigenschaft des Seins. Wir gebrauchen hier das Wort Eigenschaft in der Einzahl, wie z. B. das Wort: die Kundschaft. Die Eigenschaft meint dann jenes, worin »Sein« das eigene Wesen als sein Eigentum wahrt. Sichentbergen gehört in die Eigenschaft des Seins. Doch selbst diese Rede ist noch schief. Streng gedacht, müssen wir sagen: Sein gehört in die Eigenschaft des Sichentbergens. Aus diesem, dem Sichentbergen, und als dieses spricht sich uns zu, was »Sein« heißt. Was »Sein« heißt, können nicht wir, von uns aus, beliebig ausmachen und durch Machtsprüche