VORTRAG
DER SATZ VOM GRUND
Der Satz vom Grund lautet: Nihil est sine ratione. Man übersetzt: Nichts ist ohne Grund. Was der Satz aussagt, läßt sich in die folgende Form umschreiben: Alles hat einen Grund, d. h. jegliches, was auf irgendeine Weise ist. Omne ens habet rationem. Das jeweils Wirkliche hat einen Grund seiner Wirklichkeit. Das jeweils Mögliche hat einen Grund seiner Möglichkeit. Das jeweils Notwendige hat einen Grund seiner Notwendigkeit. Nichts ist ohne Grund.
In allem, was uns umgibt, angeht und begegnet, schauen wir nach Gründen aus. Wir verlangen für unsere Aussagen die Angabe des Grundes. Wir bestehen auf der Begründung für jedes Verhalten. Oft begnügen wir uns mit den nächstliegenden Gründen; bisweilen forschen wir nach den weiter zurückliegenden Gründen; schließlich wagen wir uns an die ersten Gründe und fragen nach dem letzten Grund. Bei allem Begründen und Ergründen laufen wir schon auf dem Weg zu einem Grund. Was der Satz vom Grund aussagt, ist uns deshalb geläufig, und weil geläufig, auch unmittelbar einleuchtend. So kommt es, daß, was der Satz vom Grund sagt, zunächst auch nicht eigens als ein Satz gesetzt oder gar wie ein Gesetz vorgetragen wird.
Häufig ist der Inhalt des Satzes, der verkürzt lautet: Nichts ohne Grund, sogar nur in der folgenden Fassung bekannt: Nihil fit sine causa, Nichts geschieht ohne Ursache. Nun ist gewiß jede Ursache eine Art von Grund. Aber nicht jeder Grund bewirkt etwas im Sinne einer Verursachung. So enthält z. B. die allgemeingültige Aussage: »Alle Menschen sind sterblich« zwar den Grund dafür, daß wir einsehen: Sokrates ist sterblich. Aber jene