den eigentlichen Sachverhalt, jenes, was beide Sachen, hier Sprache, dort Heimat, zueinander hält und ihren wesenhaften Bezug aushält.

Für den Versuch einer Bestimmung des unbestimmt gelassenen Sachverhaltes zwischen Sprache und Heimat wählen wir einen Weg, der günstig scheint, weil er den Sachen gemäß ist. Wir versuchen, eines der Alemannischen Gedichte von Johann Peter Hebel zu hören, d. h. dem Anklang des darin Gesagten gehörig nachzusinnen. Die Sprache spricht hier in einem Dialekt, d. h. wurzelhaft aus einem Bereich, in dessen Landschaft ein Volksstamm seine Heimat bewohnt.

Doch ist nicht gerade diese Wahl, ein oberdeutsches Sprachgebilde, für den niederdeutschen Heimatraum ein Fehlgriff, wie er gröber kaum sich denken läßt? Es scheint so. Denn für die meisten von Ihnen ist die oberdeutsche Mundart fremd, mir selbst aber die niederdeutsche Mundart in der eigensten Weise ihres Sagens unzugänglich. Eine verwirrende und wenig aussichtsreiche Lage! Es müßte denn sein, daß gerade das, was Sie befremdet, sich dazu eignet, das Eigentümliche der oberdeutschen Mundart in der Abhebung gegen das Eigene der niederdeutschen zu hören und dadurch das Wesen der Mundart und der Sprache als solcher zu erfahren.

Um freilich im Fremden das Eigene und aus dem Unterschied beider das Wesenhafte zu vernehmen, braucht es ein Geleit durch die Sprache hindurch, das hier nur ganz unvollkommen, weil auf das Alemannische beschränkt, gegeben werden kann. Wenn wir nun schon die oberdeutsche Mundart besinn lieh zu Ohr und Herz bringen möchten, weshalb wählen wir dafür ein Gedicht? Weil, wie sich zeigen soll, in der Dichtung die Sprache auf eine ausgezeichnete Weise spricht. Der Dichter J. P. Hebel selber wußte davon, wenn er in der 1802 verfaßten Einladung zur Subskription auf die erste Auflage seiner Alemannischen Gedichte sagt, daß Volksgedichte, in Volksdialekten verfaßt, die Sprache mit ihrem ganzen Gefüge und Gewebe erscheinen lassen (vgl. J. P. Hebels Werke, Bd. 1, S. 197, ed.


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Martin Heidegger (GA 13) Aus der Erfahrung des Denkens