nur und nutzt den Dialekt als Ausdrucksmittel für mehr oder weniger zufällige Stimmungen. Die andere, die echte und große Mundartdichtung, entfaltet den Dialekt selbst erst in sein eigenes dichterisches Wesen und bringt die Mundart zur Fülle, Weite und Klarheit ihrer eigenen ungesagten Sprache. Diese gelangt dabei selbst in das dichterische Gebild und wird dort als ein Bleibendes gestiftet, das währt, auch wenn man es nicht mehr hört, währt als ein reines Echo der in der Mundart nachklingenden Ursprache, die von einer allgemeinen Weltsprache unendlich verschieden ist.

J. P. Hebel wußte von diesem Bezug des Dialekts zur Ursprache, und d. h. vom dichterischen Wesen der geschickhaft bodenständigen Sprache.

Ein Brief, der zwei Jahre vor dem Erscheinen der »Allemannischen Gedichte« an seinen vertrautesten Freund Hitzig geschrieben ist (am 6. Februar 1801), beginnt mit folgenden Sätzen:


Meine Liebhaberey in den Nebenstunden, zur Schadloshaltung für den Ungenuß mancher Geschäftsstunde hat sich in ein eigenes Fach geworfen. Ich studiere unsere Oberländische Sprache grammatikalisch, ich versifizire sie herculeum opus! in allen Arten von metris, ich suche in dieser zerfallenden Ruine der altdeutschen Ursprache noch die Spuren ihres Umrisses und Gefüges auf, und gedenke bald eine kleine Sammlung solcher Gedichte mit einer kleinen Grammatik und einem auf die Derivation weisenden Register der Idiotismen in die Welt fliegen zu lassen.


Hebel nennt in seinen Briefen die Sammlung seiner Gedichte gern das Wälderbublein. Ein »Wälder« — das ist einer, der aus dem Schwarzwald stammt, seine Herkunft dem »Haus und Feld, Berg und Tal« dieser Landschaft verdankt, öfter vermerkt man, Hebels Dichtung sei nur auf den schmalen Band der »Allemannischen Gedichte« beschränkt. Aber darin verbirgt sich die Größe des Dichtertums. Hebel spürte die dichterische Gewalt


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Martin Heidegger (GA 13) Aus der Erfahrung des Denkens