Die Kräfte und Gesetze, auf die der Dichter zeigt, sind selber noch ein Zeichen. Denn sie zeigen in jenes ganz Unsichtbare, jedoch allem zuvor alles Bestimmende, dem der Mensch aus dem Grunde seines Daseins entsprechen muß, wenn er auf dieser Erde soll wohnen können. Das dichtende Wort zeigt in die Tiefe dieses Grundes. Stifter nennt es das Große. »Jede Größe«, sagt er, »ist einfach und sauft, wie es ja auch das Weltgebäude ist.« (Brief an Heckenast, Juli 1847) Und an anderer Stelle heißt es: »Das Große posaunt sich nie aus, es ist bloß und wirkt so.« (Brief vom 11. August 1847; vgl. Beilage zum Brief vom 3. Februar 1854)

Das Zeigen des wahrhaft Großen im Kleinen, das Zeigen in das Unsichtbare, und zwar durch das Augenfällige und durch das Tägliche der Menschenwelt hindurch, das Hörenlassen des Ungesprochenen im Gesprochenen - dieses Sagen ist das Wirkende im Wort des Dichters Adalbert Stifter.

Die inständige Bemühung um ein solches Zeigen verhilft dem Dichter zu einer Sprache, die von Werk zu Werk immer »tiefer, körniger, großartiger und dann ganz rein und klar und durchsichtig in der Form« spricht. (Brief an Heckenast vom 16. Februar 1847).

Allein dieses selbe Suchen nach dem Wort, das jeweils das zu zeigende Ding in seinem Unsichtbaren erblicken läßt, nötigt zuweilen dem Dichter auch ein Bekenntnis ab von der Art des folgenden an den Verleger: »Aber einen anderen Jammer muß ich Ihnen mitteilen, nämlich wegen der Mappe. Das ist eine heillose Geschichte. Das Buch gefällt mir nicht.« (Brief an Hekkenast a.a.O.) Der letzte Satz ist unterstrichen und geschrieben während der erneuten Arbeit an der Erzählung, der die »Eisgeschichte« entnommen ist.

Dagegen spricht Stifter seine vollendete Sprache in der letzten, jedoch unvollendeten Fassung der »Mappe«. Sie erschien erst aus dem Nachlaß des Dichters beinahe hundert Jahre nach der frühesten Fassung. - In der letzten »Mappe« fehlt noch die »Eisgeschichte«.


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Martin Heidegger (GA 13) Aus der Erfahrung des Denkens