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Fragment 64 und 1


auf τὰ πάντα, erweitern wir den Sinn von γένεσις über den phänomenalen Bereich hinaus, in dem sonst das Genesis-Phänomen zu Hause ist.


HEIDEGGER: Was Sie unter dem phänomenalen Sinn des Wortes γένεσις verstehen, können wir auch als ontisch bezeichnen.


FINK: Die Ausweitung der ursprünglich phänomenalen Bedeutung von γένεσις treffen wir auch in der Vulgärsprache an, etwa wenn wir von der Entstehung der Welt sprechen. Wir gebrauchen für unser Vorstellen bestimmte Bilder und Vorstellungskreise. Im Fragment 1 handelt es sich bei γινομένων um den allgemeineren Sinn von γένεσις. Denn τὰ πάντα entstehen nicht wie dasjenige Seiende, das gemäß der γένεσις im engeren Sinne entsteht, also nicht wie Lebewesen. Etwas anderes ist es, wenn im Entstehen der Dinge die Verfertigung und Hervorbringung (τέχνη und ποίησις) mitgemeint ist. Die ποίησις der Phänomene ist aber etwas anderes als die γένεσις. Der Krug entsteht nicht durch des Töpfers Hand wie der Mensch durch den Menschen erzeugt wird.


HEIDEGGER: Vergegenwärtigen wir uns noch einmal, worin jetzt unsere Aufgabe besteht. Wir fragen: was bedeutet τὰ πάντα πάντα aus Fragment 64, πάντα διὰ πάντων aus Fragment 41 und γινομένων γὰρ πάντων aus Fragment 1? Das κατὰ τὸν λόγον aus Fragment 1 entspricht dem ἓν τὸ σοφόν aus Fragment 41 und dem Κεραυνός aus Fragment 64.


FINK: In γινομένων ist der Sinn von γένεσις ausgeweitet gebraucht.


HEIDEGGER: Aber kann man denn wirklich von einer Ausweitung sprechen? Ich meine, daß wir doch das „Steuern“, das „alles durch alles hindurch“ und jetzt die Bewegung, die in γινομένων gedacht ist, im genuin griechischen Sinne nachzuverstehen versuchen sollten. Ich stimme dem zu, daß wir die


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