II.


Hermeneutischer Zirkel. — Bezug von ἕν und πάντα (beigezogene Fragmente: 1, 7, 80, 10, 29, 30, 41, 53, 90, 100, 102, 108, 114).


FINK: Im Ausgang vom Fragment 64 sind wir auf die Schwierigkeit gestoßen, die Wortfügung τὰ πάντα zu erläutern. Ich spreche absichtlich nicht vom Begriff τὰ πάντα, um nicht die Vorstellung einer Herakliteischen Terminologie aufkommen zu lassen. Die Wortfügung τὰ πάντα hat sich uns im Fragment 64 als das gezeigt, worauf sich der Blitz steuernd bezieht. Der Blitz als das aufreißende Licht, als das Feuer in der Phase der Momentaneität bringt τὰ πάντα zum Vorschein, umreißt jegliches in seiner Gestalt und lenkt die Bewegung, den Wandel und Gang all dessen, was in τὰ πάντα gehört. Um die Frage schärfer zuzuspitzen, was oder wer τὰ πάντα sind, ob Einzeldinge, Elemente oder Gegenbezüge, begannen wir damit, auf andere Fragmente vorauszublicken, die auch τὰ πάντα nennen. Wenn wir von dem absehen, was wir bereits in den Bezug zu Fragment 64 gebracht haben, ergeben sich im ganzen fünfzehn Textstellen, die wir uns daraufhin ansehen wollen, inwiefern, d.h. in welchen Hinsichten in ihnen τὰ πάντα angesprochen sind. Im Fragment 64 hat sich gezeigt, daß der Blitz das Steuernde ist. Es handelt sich nicht um eine immanente Selbstregelung der πάντα. Wir müssen den Blitz als das Eine von dem insgesamt Vielen der πάντα unterscheiden.


TEILNEHMER: Wenn also das Steuerprinzip nicht innerhalb des Ganzen liegt, so muß es außerhalb des Ganzen oder über dem Ganzen sich befinden. Wie aber kann es außerhalb des Ganzen sein?


FINK: Wenn wir den Begriff des Ganzen pressen, so meint er einen Inbegriff, der nichts außer sich läßt, also auch scheinbar


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