HEIDEGGER: Ich selber möchte zu dem, was ich letzthin über die Kybernetik ausgeführt habe, eine Ergänzung hinzufügen. Wenn ich im Ausgang von der Frage nach dem, was das Steuern ist, auf die moderne Kybernetik hingewiesen habe, so darf dadurch nicht das Mißverständnis aufkommen, als würde hier nur auf Grund dessen, was in den Fragmenten 64 und 41 vom Steuern gesagt wird, ein Zusammenhang zwischen Heraklit und Kybernetik konstruiert. Dieser Zusammenhang liegt viel tiefer verborgen und ist nicht so leicht zu fassen. Er geht über einen anderen Weg, den wir im Zusammenhang unserer jetzlgen Besinnung auf Heraklit nicht erörtern können. Gleichwohl liegt der Sinn der Kybernetik in der Abkünftigkeit von dem, was Sich hier bei Heraklit im Verhältnis von ἕν und τὰ πάντα vorbereitet. —
FINK: Wenn wir jetzt den Versuch machen zuzusehen, wie in anderen Fragmenten angesprochen werden, beabsichtigen wir noch keine Auslegung der einzelnen Fragmente.
HEIDEGGER: Wenn ich jetzt einige von den Teilnehmern gestellte Fragen zunächst Zurückgestellt babe, so ist das unter dem Zwang der Grundschwierigkeit geschehen, in der wir uns jetzt befinden. Worin liegt diese Schwierigkeit?
TEILNEHMER: Die angeschnittenen Fragen können nur beantwortet werden, wenn wir ein tieferes Verständnis von demjenigen gewonnen haben, dem unsere bisherigen Besinnungen gegolten haben. Vor allem aber: wir sollen gleich zu Beginn und im Ausgang von einem Fragment wissen, was τὰ πάντα heißt. Die Bedeutung von τὰ πάντα können Wir aber nur im Zusammenhang aller Fragmente, in denen von τὰ πάντα die Rede ist, verstehen. Andererseits können wir uns den Gesamtzusammenhang nur über den Weg der einzelnen Fragmente Schritt für Schritt erarbeiten, was bereits ein Vorverständnis dessen, was τὰ πάντα meint, voraussetzt. Die Grundschwierigkeit, vor der wir stehen, ist also die des hermeneutischen Zirkels.
Heraclitus Seminars p. 16