240. AUS GESPRÄCHEN MIT EINEM BUDDHISTISCHEN MÖNCH
(Herbst 1963)



[nach der Begrüßung]

Heidegger: »Ich freue mich meinerseits, daß nun diese Begegnung doch zustande gekommen ist.«

Mani: »Weshalb versuchen Sie nicht, Ihre Gedanken über moderne Medien, wie Radio und Fernsehen, den Menschen mitzuteilen?«

Heidegger: »Die Aufgabe, die dem Denken heute gestellt ist, wie ich es verstehe, ist in einer Weise neu, daß es eine ganz neue Methode des Denkens verlangt. Diese Methode kann nur in unmittelbarem Gespräch von Mensch zu Mensch und durch eine lange Einübung und durch eine Übung, gewissermaßen des Sehens im Denken, erreicht werden, d. h. diese Art des Denkens ist zunächst nur für wenige Menschen vollziehbar, kann aber dann mittelbar, durch die verschiedenen Bereiche der Erziehung, den anderen Menschen mitgeteilt werden. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Heute kann bei uns jeder mit einem Radioapparat oder mit dem Fernsehapparat operieren, ohne daß er weiß, welche physikalischen Gesetze dahinter stehen, ohne daß er weiß, welche Methoden für die Erforschung dieser Gesetze notwendig waren. Methoden, die im Grunde in ihrem eigentlichen Gehalt heute vielleicht nur fünf oder sechs Physiker verstehen. Und so ist es auch zunächst mit diesem Denken. Dieses Denken ist zunächst so schwierig, daß nur wenige Menschen dafür erzogen werden können.

Was ich Ihnen eben ausführte, daß nur wenige Menschen zunächst dieses Denken lernen können, könnte leicht ein Mißverständnis hervorrufen, als wären diese Menschen nun ausgezeichnete Menschen. In Wahrheit kann jeder Mensch, sofern er ein denkendes Wesen ist, dieses Denken vollziehen. Aber in unseren Erziehungssystemen und gemäß unserer Geschichte


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Martin Heidegger (GA 16) Reden und Andere Zeugnisse eines Lebenweges