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S S. Rückgang zum Boden der Definition

in den Dingen existiert oder ob es nur Gemeintheiten des auffassenden Denkens sind (Realismus — Nominalismus). Auch diese Frage hat ihren Ursprung in bestimmten Sachzusammenhängen der griechischen Philosophie, genauer in schulmäßigen Mißverständnissen.


b) Die aristotelische Bestimmung des όρισμός als λόγος οὐσίας


Wir fragen jetzt nach der Begrifflichkeit und ihrer Bodenständigkeit in der Weise, daß wir von der definitio als technischem Mittel zurückgehen zum όρισμός, »Eingrenzung«. Όρίσμός ist ein λόγος, ein »Sprechen« über etwas, ein Ansprechen der Sache »selbst in dem, was sie ist«, καθ' αύτό.2 Ein λέγειν καθ' αύτό: Die Sache »an ihr selbst« und nur sie wird und soll angesprochen werden. Daher wird der όρισμός bestimmt als οὐσίας τις γνωρισμός.3 Γνωρισμός heißt: »Bekanntmachen mit ...«, »Vertrautmachen mit...«, eine Sache präsentieren. Όρισμός ist das Vertrautmachen mit einem Seienden in seinem Sein. Was besagt λόγος οὐσίας: 1. λόγος, 2. οὐσία?

Λόγος: »Sprechen«, nicht im Sinne des Einen-Laut-von-sichGebens, sondern des über etwas Sprechens in der Weise des Aufzeigens des Worüber des Sprechens, durch das sich das Besprochene zeigt. Die eigentliche Funktion des λόγος ist das άποφαίνεσθοα, das »Eine-Sache-zum-Sehen-Bringen«. Jedes Sprechen ist, vor allem für die Griechen, ein Sprechen zu einem oder mit anderen, mit sich selbst oder zu sich selbst. Sprechen ist im konkreten Dasein, da man nicht allein existiert, Sprechen mit anderen über etwas. Mit anderen über etwas Sprechen ist jeweilig ein Sichaussprechen. Im Sprechen über etwas mit anderen spreche ich mich aus, ausdrücklich oder nicht.


2 Met. Δ 8, 1017 b 22: οὖ ό λόγος ὁρισμός. H 1, 1042 a 17: τούτου δὲ λόγος ό ὁρισμός.

3 Aristotelis Organon Graece. Novis codicum auxiliis adiutus recognovit, scholiis irieditis et commentario instruxit Th. Waitz. Pars posterior: Analytica posteriora, Topica. Lipsiae 1846. An. post. B 3, 90 b 16.


Martin Heidegger (GA 18) Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie