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Die aristotelische Bestimmung des Daseins des Menschen

Welt, der λόγος-Untersuchung, den richtigen Hintergrund zu geben. Wir werden nun untersuchen, in welcher Weise im λόγος als solchem das charakteristische Sein des Menschen in seiner Welt als Miteinandersein sichtbar wird, in welcher Weise es gerade der λόγος ist, in dem sich die κοινωνία konstituiert, das MiteinanderDahaben der Welt, in dem die Menschen sind. Wenn der λόγος das Miteinander-Dahaben der Welt ausmacht, konstituiert sich in ihm die Bestimmung des Miteinanderseins. Und die Bestimmung des ζωον λόγον ἔχον muß dann zugleich in sich enthalten die Bestimmung des ζωον ατολιτίκόν. Das besagt: Der Mensch ist ein solches Lebendes, das sein kann φύσει in der Weise der ατόλις, d.h. dieses ausgezeichnete Miteinandersein ist nicht etwas, was an den Menschen herangebracht ist, sondern die Seinsmöglichkeit. Sofern der Mensch in der πόλις lebt, ist er für den Griechen eigentlich Mensch. Das Miteinandersein als fundamentale Bestimmung des Seins des Menschen soll sichtbar werden in der näheren Betrachtung des λόγος als derjenigen Weise, in der der Mensch seine Welt da hat.

Um in den Blick zu bekommen, worum es sich handelt, muß man von vornherein ein Vorurteil abstellen, das wir heute mehr als je geneigt sind, in die Betrachtung hineinzutragen. Man könnte die Sache so auffassen, daß in der φωνή und im λόγος die Wirklichkeit in einer bestimmten Hinsicht erfaßt wird, daß die Welt in einem bestimmten »Aspekt« da ist, in einem Aspekt relativ auf das »Subjekt«, d.h. die Welt begegnet nur in einem »subjektiven Aspekt«, nicht eigentlich an sich, als handele es sich um eine bestimmte Auffassungsweise der Welt. Diese Orientierung auf Subjekt und Objekt muß grundsätzlich abgestellt werden. Nicht nur, daß diese Grundbegriffe, Subjekt/Objekt, und das, was sie meinen, in der griechischen Philosophie nicht vorkommen, sondern es ist auch die Orientierung mit Subjekt/Objekt in der griechischen Philosophie sinnlos, sofern es sich nicht darum handelt, eine Auffassungsweise der Welt zu charakterisieren, sondern das Sein in ihr. Und ferner darf man nicht an die ganzen Analysen der Begegnischaraktere der Welt so herankommen, als gäbe


Martin Heidegger (GA 18) Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie