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Vorbetrachtung

ausgebildet. Aristoteles soll uns also auf Plato vorbereiten, uns die Richtung in die charakteristische Fragestellung der beiden Dialoge Platos, »Sophistes« und »Philebos«, weisen. Und diese Vorbereitung wird die Frage des λόγος als ἀληθεύειν in den verschiedenen Bereichen des ὄν und ἀεί sowie des ἐνδέχεται Αλλως sein2.

Da aber Aristoteles von keinem Größeren gefolgt wurde, ist man gezwungen, in die philosophische Arbeit des Aristoteles hineinzuspringen, um eine Orientierung zu gewinnen. In der Vorlesung soll sie nur ganz schematisch und in der Beschränkung auf Grundfragen angegeben sein. Plato wird nach der Ausgabe des Henricus Stephanus 1519 zitiert; allen modernen Ausgaben sind Seitenzahl und Spalten beigedruckt. Wir beschränken uns bei der Interpretation auf die beiden Dialoge »Sophistes« und »Philebos«3. Bei der Aufklärung schwieriger Fragen werden wir den Dialog »Parmenides« für die Ontologie und den Dialog »Theätet« für die Erkenntnisphänomenologie heranziehen.


c) Erste Anzeige des Themas des »Sophistes«.
Der Sophist. Der Philosoph. Das Sein des Seienden


Im »Sophistes« betrachtet Plato das menschliche Dasein in einer seiner extremsten Möglichkeiten, nämlich in der philosophischen Existenz. Und zwar zeigt Plato indirekt, was der Philosoph sei, indem er auseinanderlegt, was der Sophist sei Und dies zeigt er nicht, indem er ein leeres Programm aufstellt, d. h. sagt, was man tun müßte, wenn man Philosoph sein will, sondern indem er philosophiert. Denn konkret sagen, was der Sophist als der eigentliche Nichtphilosoph sei, kann man nur, wenn man selbst in der Philosophie lebt. [9] Daher kommt es, daß sich in diesem Dialog eine eigentümliche Verschlingung zeigt


2 Aristoteles, Eth. Nic. VI, 2; 1039a6 sqq. und 3; 1139b20 sqq.

3 s. S. 7, Anm. 1.

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