Dieser λόγος ist es, der für die spätere Betrachtung — die die ursprüngliche Position verloren hatte — als dasjenige angesehen wurde, was wahr oder falsch ist Von diesem freiständigen Satz wußte man, daß er wahr oder falsch sein kann. Und sofern ein solcher freiständiger Satz ohne ein Wissen, ob er eigentlich wahr ist, als wahr genommen wird, entsteht die Frage: Worin besteht die Wahrheit dieses Satzes? Wie kann ein Satz, ein Urteil, das eine Bestimmung des Seelischen ist, übereinstimmen mit den Dingen? Und wenn man die ψυχή als Subjekt und den λόγος und das λέγειν als Erlebnisse nimmt, so hat man das Problem: Wie können subjektive Erlebnisse übereinstimmen mit dem Objekt? Die Wahrheit besteht dann in der Übereinstimmung des Urteils mit dem Objekt.
Eine Richtung sagt nun: Ein solcher Wahrheitsbegriff demgemäß die Wahrheit bestimmt ist als Übereinstimmung des Seelischen, Subjektiven, mit dem Objektiven, ist ein Widersinn. Denn ich muß die Sache schon erkannt haben, um sagen zu können, daß sie übereinstimmt mit dem Urteil. Ich muß das Objektive schon erkannt haben, um das Subjektive daran zu messen. Diese Wahrheit des Erkannthabens wird also für die Wahrheit des Erkennens schon vorausgesetzt. Und weil hier ein Widersinn liegt, ist diese Theorie über die Wahrheit nicht haltbar.
In der neuesten Erkenntnistheorie wurde noch ein Schritt weitergegangen. Erkennen ist Urteilen, Urteilen ist Bejahen und Verneinen, Bejahen ist Anerkennen, anerkannt wird ein Wert, ein Wert ist präsent als ein Sollen, also ist der Gegenstand der Erkenntnis eigentlich ein Sollen. Diese Theorie ist nur dadurch möglich, daß man sich an den Tatbestand des Urteilsvollzugs als bejahenden hält und von hier aus, ohne sich um das Seiende in seinem Sein zu kümmern, zu bestimmen versucht, was für dieses Anerkennen der Gegenstand ist. Und da der Gegenstand der Erkenntnis ein Wert ist, ist die Wahrheit ein Wert Diese Struktur wird ausgedehnt auf alle Seinsbereiche, so daß man schließlich sagt: Gott ist ein Wert.