möglich war. Eine Vordeutung ist schon in Eth. Nic. VI, 6 gegeben. Hier erinnert Aristoteles daran, daß die ἐπιστήμη — genau so wie die φρόνησις und die σοφία — μετὰ λόγου (1140b33) ist. Wir werden sehen, daß das ἀληθεύειν des νοῦς in der Tat ἄνευ λόγου ist, sofern man den λόγος als κατάφσσις und ἀπόφασις versteht. Der νοῦς als der reine νοῦς, wenn man ihn μετὰ λόγου fassen will, hat einen ganz eigentümlichen λόγος, der keine κατάφασις und ἀπόφασις ist Vorausdeutend sei gesagt, daß der νοῦς als solcher keine Seinsmöglichkeit des Menschen ist. Sofern aber das menschliche Dasein durch ein »Vermeinen« und Vernehmen charakterisiert ist, ist der νοῦς im menschlichen Dasein doch vorfindlich, Diesen νοῦς nennt Aristoteles ό καλούμενος τῆς ψυχής νοῦς2; der »sogenannte« νοῦς soll besagen: der uneigentliche νοῦς. Dieser νοῦς in der menschlichen Seele ist nicht ein νοεῖν, ein schlechthinniges Sehen, sondern ein διανοεῖν, weil die menschliche Seele durch den λόγος bestimmt ist. Das νοεῖν wird auf Grund des λόγος, des Ansprechens von etwas als etwas, zum διανοεῖν. Außer dem νοῦς bleibt keine Weise des ἀληθεύειν, die im eigentlichen Sinne ein ἀληθεύειν der ἀρχαί ist.
Weil nun die σοφία das, wofür die ἀρχαί ἀρχαί sind, das konkrete Seiende, mit in Betracht zieht und sie zugleich am meisten auf die ἀρχαί zielt, kann Aristoteles die σοφία als νοῦς καὶ ἐπιστήμη kennzeichnen, als ein ἀληθεύειν, das einmal in gewisser Weise das ἀληθεύειν des νοῦς übernimmt, andererseits den Wissenschaftscharakter der ἐπιστήμη hat. ὥστε εἴη ἂν ἡ σοφία νοῦς καὶ ἐπιστήμη (1141a19 sq).
2 De An. III, 4; 429a22 sqq.: ὁ ἄρα καλούμενος τῆς ψυχῆς νοῦς (λέγω δὲ voῦv ᾧ διανοεῖται καὶ ὑπολαμβάνει ἡ ψυχή).