79
§ 12. Exkurs: καθόλου und καθ᾽ ἕκαστόν

a) Die mehrfachen Bedeutungen des ὅλον. Das καθόλου als ὅλον λεγόμενον (Met. V, 26)



Das ὅλον wird in mehrfacher Weise verstanden:


1. ὅλον λέγεται οὗ τε μηθὲν ἄπεστι μέρος ἐξ ὧν λέγεται ὅλον φύσει (1023b26 sq), »Etwas ist ein ὅλον, bei dem nichts abwesend ist, bei dem kein Teil, kein zugehöriges Bestandstück abwesend ist«. Positiv gesagt ist das ὅλον die volle Anwesenheit des Seienden in dem, was zu seinem Sein gehört. Unser Ausdruck »Vollständigkeit« gibt das ausgezeichnet wieder; das Seiende ist in seinem vollen Stand. Es ist zu beachten, daß Aristoteles dieselbe Definition, die er hier vom ὅλον gibt, auch für das τέλειον in Anspruch nimmt, τέλειον λέγεται ἓν μὲν οὗ μὴ ἔστιν ἕξω τι λαβεῖν μηδὲ ἓν μόριον (Met. V, 16; 1021b12). «τέλειον ist einmal das, bei dem auch nicht ein einziges Bestandstück außerhalb ist«. Das ὅλον bedeutet also einmal die volle Anwesenheit der das Fertigsein eines Seienden ausmachenden Bestandstücke.

2. ‹ὅλον λέγεται› καὶ τὸ περιέχον τὰ περιεχόμενα ὥστε ἕν τι εἶναι ἐκεῖνα (Met. V,26; 1023b27 sq). Das ὅλον ist das Umgreifende, so daß die Umgriffenen so etwas wie ein Eines sind. Wir haben für diese 2. Bedeutung von ὅλον keinen entsprechenden Ausdruck; das »Ganze« trifft hier nicht den Sachverhalt. Diese 2. Bedeutung ist doppelt unterschieden. Das ὅλον ist περιέχον (b28 sq), umgreifend

a) ἣ γὰρ ὡς ἕκαστον ἓν, »entweder in dem Sinne, daß jedes der Umgriffenen Eines ist«,

b) ἣ ὡς ἐκ τούτων τὸ ἓν, »oder in dem Sinne, daß das Eine aus dem Umgriffenen selbst bestehend ist«. Hier machen die ἕκαστα erst das ἓν aus, während bei a) jedes Einzelne für sich das ὅλον ist.

Beispiel für a) ist das καθόλου: τὸ μὲν γὰρ καθόλου, καὶ τὸ ὅλως λεγόμενον ὡς ὅλον τι ὄν, οὕτως ἐστὶ καθόλου ὡς πολλὰ περιέχον τῷ κατηγορεῖσθαι καθ᾽ ἑκάστου καὶ ἓν ἅπαντα εἶναι ὡς ἕκαστον, οἷον ἄνθρωπον ἵππον θεόν, διότι ἅπαντα ζῷα (b29 sqq). Das καθόλου ist

GA 19