von Sein leitend ist in allen Diskussionen über das Seiende. Zugleich wird deutlich, daß das Seiende, auch wenn es für das nächste Betrachten da ist, doch noch nicht die ἀλήθεια, das Seiende als aufgedecktes, ist, — und daß es eben gerade die ἀλήθεια ist, worüber philosophiert wird. Das heißt nicht, daß man über die »Wahrheit« spekuliert; die Gleichsetzung von ὄν und ἀλήθεια wird nur dann klar, wenn man sich über die ἀλήθεια im Klaren ist. — Weiter: »Aber gleichwohl«, obwohl in der αἴσθησις ein »schlecht vertrautes Aufgedecktes« gegenwärtig ist, muß man von ihm her den Ausgang nehmen. Denn dieses obzwar schlecht Aufgedeckte ist doch »einem selbst vertraut«, d.h. es ist der Boden, über den man verfügt2. Man muß von diesem obzwar schlecht Aufgedeckten doch seinen Ausgang nehmen; man muß sich diesen Boden ausdrücklich zueignen, — und nicht über die von einer Theorie aus als schlecht angesetzte Realität hinwegspringen zu einem Übersein, wie dies nämlich Plato getan hat. Nicht geht es an, das zunächst Vertraute, schlecht Aufgedeckte, als μή ὄν anzusetzen, sondern man muß von ihm ausgehen und, μεταβαίνων, »hindurchschreitend dadurch, durch dieses schlecht Aufgedeckte selbst, das schlechthin und eigentlich Vertraute sehen«. Für Plato dagegen war es so, daß er einen gewissen Sinn von Sein gewann — allerdings auch nicht so radikal wie Aristoteles später — und daß es ihm dann »passierte«, dieses Sein als das Seiende anzusprechen, so daß er das, was eigentlich das Seiende ist, als Nicht-Seiendes ansetzen mußte. Diese eigentümliche Verfehlung hat Aristoteles vollkommen durchschaut, — was für einen Griechen eine Leistung war, von der wir uns wohl keine Vorstellung mehr machen können.
Gerade das καθ' ἕκαστον der αἴσθησις muß man in den Griff bekommen und an ihm den ersten Tatbestand des Seienden aufnehmen. Das ist auch dem Aristoteles nur in gewissen
2 Vgl. S.98f.