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§ 12 Exkurs: καθόλου und καθ᾽Ικαοτον

Das καθόλου ist zunächst selbst συγκεχυμένως da.

Also bedeutet der Satz »Physik« 1,1; 184a23 sq keinen Widerspruch zu dem, was zuvor und in der Topik gesagt wurde. Im Gegenteil, er macht es noch ausdrücklicher: Der Weggeht vom unartikulierten καθόλου zum artikulierten καθ᾽ ἕκαστρνι so daß jeder einzelne μέρος sichtbar wird. Und auch das καθ᾽ ἕκαστον wird jetzt erst in seiner funktionalen Bedeutung sichtbar: Es meint hier nicht einen bestimmten Bereich des Seienden, sondern die Weise des Artikuliert- oder Nichtartikuliertseins. So meint das καθ᾽ ἕκαστον 1. das zunächst Abgehobene der αἴσθησις, 2. das schlechthin Abgehobene der Momente, die im καθόλου selbst liegen.

Damit stimmt überein der Zug der Betrachtung, wie Aristoteles sie in der »Physik« durchführt. Diese ist von vorneherein αρχή-Forschung; es handelt sich um die Erfassung der Αρχαί. Denn die ἐπιστήμη ist immer ἐπιστήμη der καθόλου; und diese geht vom unartikulierten καθόλου zum artikulierten, dergestalt, daß dessen μέρη im ορισμός offenbar sind. Dies eben drückt der methodische Grundsatz aus, wie ihn Aristoteles »Physik« 1,1 formuliert hat: ἐκ των καθόλου είςτά καθ᾽ ἕκαστα δει προιέναι. In diesem Grundsatz, der ganz formal zu sein scheint, faßt Aristoteles zugleich den Bewegungssinn der Geschichte der Seinsbefragung der φύσις, die seinen Forschungen vorausgegangen ist und die er im 1. Buch der »Physik« niedergelegt hat Zunächst haben die Philosophen, wenn sie über das Gegebene der Welt Fragen stellten, das gesehen, was sich zunächst gab, und sie haben es so gesehen, daß es unartikuliert war. Vor allem trifft dies auf die Eleaten, die zunächst nur das Sein gesehen haben. Aristoteles zieht hier einen Satz des Parmenides bei: έν τΑ πάντα (Phys. 1,2; 185a22). Das Sein ist überall Sein; alles, was ist, ist Sein, Gegenwärtigsein, Da. Mit Bezug auf das, was sich Aristoteles selbst zur Aufgabe stellte, nämlich eine

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