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Frage nach dem Vorrang von φρόνησις oder σοφία

a) Die Struktur des βουλεύεσθαι

α) Strukturanalyse der Handlung.

Die konstitutiven Momente der Handlung, ἀρχή und τέλος der

Handlung, εὐπραξία und ευβουλία

Wir gehen bei der Betrachtung aus von der Vergegenwärtigung des Seienden, das in der φρόνησις aufgedeckt wird. Man kann nicht sagen: vom Seienden, das für die φρόνησις Thema ist, — sofern wir unter »Thema« das Seiende verstehen, das Gegenstand theoretischer Betrachtung ist. Die φρόνησις hat eigentlich kein Thema, da sie das, was sie aufdeckt, nicht als solches ins Auge faßt. Das Seiende*, das die φρόνησις aufdeckt, ist die πρᾶξις. Darin liegt das menschliche Dasein. Denn das menschliche Dasein ist hestimrnt als πρακτική, bzw. — um die Bestimmung vollständig zu machen — die ζωή des Menschen ist bestimmt als ζωή πρακτική μετὰ λόγου (vgl. Eth. Nic. 1,7; 1098a3 sq).

Wenn es um eine bestimmte Handlung geht, so stellt sich zunächst die Krage, was das ist, wovon sie die Handlung ist. Jede Handlung ist Handlung in bezug auf ein bestimmtes Wovon. Da die ζωή πρακτική sich jeweils in einer bestimmten Umwelt bewegt, wird diese Handlung vollzogen unter bestimmten Umständen. Diese Umstände charakterisieren die Lage, in der sich das Dasein jeweils befindet. So ist die Handlung selbst durch verschiedene Momente gekennzeichnet5:

1. das, wovon sie die Handlung ist (δ),

2. das, was als Mittel und Weg herangezogen und bereit gestellt werden muß, um zu handeln (6V ού). — Um z.B. anderen Menschen durch ein Geschenk eine Freude zu machen, müssen die entsprechenden Gegenstände zur Verfügung stehen. 3. die betreffenden Gegenstände müssen in bestimmter Weise verwendet werden (πώς); sie müssen überhaupt in einer


Eth. Nic. VI, 10; 1142b23 sqq.

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