150
Frage nach dem Vorrang von ρρόνησις oder σοφία

selbst, die Handlung als gehandelte, vollzogene. Damit ist gegeben, daß das βουλεύεσθαι eine Richtung hat; es ist in sich selbst ausgerichtet auf und zwar so, daß gewissermaßen vom Rücken her ständig die Orientierung ist auf das Vorweggenommene, die Handlung. Zum βουλεύεσθαι als solchem gehört das Strukturmoment der Richtung. Sofern nun das βουλεύεσθαι εύ in der rechten Weise — gerichtet sein soll, gehört das εύ zum Vollzug des βουλεύεσθαι selbst. Das in der rechten Weise — εύ — Gerichtetsein, ist die Richtigkeit, όρθότης, des Handelns, die gewissermaßen die Richtung durchhält, die vorgezeichnet ist durch die ἀρχή und das τέλος des Handelns: δῆλον δτιόρθότης τις ἡ ευβουλία εστίν (1142b8 sq). Die ausgearbeitete Richtigkeit der konkreten Handlung ist die όρθότης βουλής, βουλή ist der Entschluß, das Entschlossensein, άλλ' όρθότης τίς ἔστιν ἡ ευβουλία βουλής (b16). Die Ausarbeitung der konkreten Lage zielt darauf, die rechte Entschlossenheit als Durchsichtigkeit der Handlung verfügbar zu machen. Und sofern diese Entschlossenheit in der Tat angeeignet und vollzogen ist, sofern ich also entschlossen bin, ist die Handlung in ihrer äußersten Möglichkeit da. Das gerichtete Aufdecken der vollen Situation endigt in der eigentlichen Entschlossenheit zu im Zugreifen selbst.

Dieses βουλεύεσθαι, das Durchüberlegen, wird als λογίζεσθαι so vollzogen, daß dabei ein Zusammenhang des Sprechens lebendig ist, ein Zusammen-sprechen, συλλογίζεσθαι, συλλογισμός, äußerlich bezeichnet als »Schluß«4. Jeder Beweisgang hat einen Schlußsatz, συμπέρασμα. Der Schlußsatz des βουλεύεσθαι ist die Handlung selbst; er ist nicht irgendein Satz, irgendeine Erkenntnis, sondern das Losbrechen des Handelnden ah solchen Damit ist gezeigt, wie in der φρόνησις mit das ἔργον beschlossen liegt und sie ihrerseits zum Sein des Handelnden gehört. Von dieser Grundstruktur her ist nun das zu verstehen, was ständig der Auslegung Schwierigkeiten ge-


4 Eth. Nic. VI, 13; 1144a31 sqq: οἱ γὰρ συλλογισμοί τῶν κρακιών άρχην ἔχοντες είοιν, έχειδή τοιον&ε το τέλος καὶ τό άριστον.


Martin Heidegger (GA 19) Platon Sophistes