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§ 24. Entscheidung, der Frage des Vorrangs der οοφία

wenn keine von beiden etwas leisten könnte, muß man die Frage nach ihrem eigentlichen ἀρετή-Charakter stellen. Denn die ἀρετή ist selbst so etwas wie eine τελείωσις; sie ist das, was etwas Seiendes an ihm selbst in die Eigentlichkeit seines Seins bringt1. Damit stellt Aristoteles die ganze Diskussion in eine rein theoretische Betrachtung

Επειτα καὶ ποιοΟσι μεν (I144a3 sq). Sodann aber sieht dieselbe Betrachtung des Seienden an ihm selbst, daß φρόνησις und σοφία in der Tat etwas leisten, ποιεΐν, wobei ποιεΐν meint herstellen, austragen, zum Sein bringen. Gerade dieses ποιεΐν der φρόνησις und der σοφία gibt, näher besehen, den Boden ab für die Abgrenzung und die Höherstellung der σοφία gegenüber der φρόνησις. An diesem ποιεΐν wird sich ontologisch der Vorrang der σοφία entscheiden2. Denn das Prinzip ist: ἡ γὰρ ποιούσα άρχει καὶ έπιτάττει περί ἕκαστον (I143b35). »Diejenige Möglichkeit des menschlichen Daseins, die in sich selbst ποιεί, etwas leistet — die eigentlicher leistet als eine andere -, beherrscht und leitet alle übrigen«. Demnach müssen wir, wenn dieses Prinzip hier zur Anwendung kommen soll, darauf achten, in der σοφία trotz alles bisher von ihr Dargelegten noch eine ποίησις zu entdecken. Nun sagt Aristoteles: Das reine Betrachten des Philosophen trägt in der Tat etwas aus, ποιεί, und zwar, τῷ Εχεσθαι καὶ τῷ ένεργεΐν (vgl. 1144a6), »dadurch, daß es gehabt und vollzogen wird«, also nicht durch Resultate, sondern lediglich dadurch, daß ich in diesem θεωρεῖν lebe^ Dieses Aufdecken leistet als solches etwas. Aristoteles zieht einen Vergleich heran, den man nur versteht, wenn man sich zuvor den Boden dieses Vergleiches gesichert hat. Er vergleicht das theoretische Betrachten der Philosophie mit der Gesundheit: καὶ



1 Vgl. Met. V, 16; 1021b20 sqq.

1 Die folgenden Ausführungen (bis S. 171) hat Heidegger frei vorgetragen. Es finden sich nur ganz wenige andeutende Notizen in der Hs. Die Hg. konnte sich lediglich auf die Nss. von H.Jonas, F.Schalk und H.Weifl stützen.

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